Palzki 09 - Ahnenfluch
ist auch etwas krümlig und hart.«
Mein Sohn hatte recht. Der Pizzaboden hatte nicht nur die Dicke von drei Butterkeksen, sondern auch deren Konsistenz. Ein Blick auf das Rezept und ich erkannte den Fehler. Nur eine winzige Kleinigkeit hatte ich vergessen: die Hefe.
Paul war wie ich Pragmatiker. Er winkte bereits mit der Liste des Imbiss Caravella. »Bestell noch ein paar Packungen Pommes dazu für den Nachtisch«, meinte er. »Und ne Buddel Cola.«
Alles in allem war es ein gemütlicher Abend. Die hinterlassene Sauerei in der Küche würde ich morgen aufräumen, oder so.
Mit Paul lag ich auf der Couch und machte etwas, was ich schon länger nicht mehr getan hatte: Ich schaute Fernsehen. Doch so sehr ich auch durch die Kanäle zappte, das Programm war grausam trivial. Selbst die Krimis, die ich mir ausschnittsweise anschaute, als Paul bereits schlief, waren nicht mehr das, was sie mal waren. Mit ihren schnellen Schnitten und den hektischen Kamerabewegungen waren sie kein Genuss, sondern reine optische Folter. Und der Schluss war seit 50 Jahren fast immer gleich: Entweder wollte der Täter von einem Gebäude springen oder ein Polizist drückte in der Schlusssequenz mit der Hand auf den Kopf des überführten Verbrechers, damit er in den Polizeiwagen stieg.
Ich beschloss, meine Fernsehschaukarriere gleich wieder zu beenden. Für solchen Unfug war mir meine Lebenszeit zu schade.
Tapfer wie ich war, wechselte ich mir allein den Verband. Es war tatsächlich nur eine etwas größere Fleischwunde, die immer noch unangenehm brannte. Zusammen mit dem leichten Kopfweh war eine Schmerztablette angesagt, die auch tatsächlich half. Da ich todmüde war, beschloss ich, die Spuren meines Verbandswechsels morgen aufzuräumen. Im Bad störte das niemanden.
Als Paul gegen sieben Uhr die obligatorische Bauchlandung auf meiner vollen Blase machte, benötigte ich ein paar Sekunden, um das Fehlen meiner Ehefrau im Bett zu rekonstruieren.
»Was gibt’s zum Frühstück?«, hetzte Paul. »Ich hab einen Riesenhunger. Die Pommes waren viel zu wenig.«
Die Möglichkeiten eines gefälligen Buffets waren sehr begrenzt. Paul motzte: »Das ist das Gleiche wie jeden Morgen. Ich habe keinen Hunger.«
Deeskalierend fragte ich ihn nach seiner Tagesplanung. »Bleibst du den ganzen Tag bei Ackermanns oder hast du andere Pläne?«
»Mensch Papa«, erwiderte Paul. »Ich habe Ferien. Nach dem Frühstück bei Ackermanns gehe ich zu meinem Freund Michael. Wir haben da was Tolles entdeckt.«
Meine Nachfrage bezüglich der Entdeckung ergab keine konkreten Ergebnisse. Er lenkte mit einer anderen Sache ab, ganz wie der Papa.
»Herr Ackermann hat mir gestern erzählt, was er so alles als Kind angestellt hat. Der hat echt voll die guten Ideen. Fährst du mich am Samstag in den Baumarkt, Papa? Ich brauche eine Stange Kitt.«
»Kitt? Was willst du denn damit reparieren?«
»Reparieren? Spinnst du, Papa? Herr Ackermann meinte, damit kann man Türklingeln richtig fest ankleben. Besonders klasse ist das, wenn die Klingel an einem Tor an der Straße ist und das Haus ganz weit entfernt hinter einem langen Vorgarten steht.«
Ich atmete dreimal tief durch. Paul war noch nicht strafmündig. Ich schätzte, dass man an seinem 14. Geburtstag sämtliche Spezialeinsatzkräfte von Rheinland-Pfalz vor unserem Haus zusammenzieht.
Ich musste eingreifen, das konnte ich als Beamter und Vater schließlich nicht gutheißen. Zumal ich von den anderen Ideen noch nichts wusste. Schneller, als ich denken konnte, beschloss ich, meinen Sohn mitzunehmen. Um Ausreden war ich noch nie verlegen. Irgendetwas würde mir bestimmt einfallen, um heute den ganzen Tag im Büro bleiben zu können.
»Du kommst mit mir.«
Paul schaute mich mit großen Augen an. »Fangen wir ein paar Verbrecher?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich verhindere damit ein paar Verbrechen.«
Während wir uns fertig machten, sah ich im Wohnzimmer die zerstreuten Kleider von ihm liegen, die er gestern beim Schlafengehen ›verloren‹ hatte. Da wir zeitlich etwas knapp waren, beschloss ich, sie nach Feierabend wegzuräumen.
»Was gibt’s bei dir im Büro zum Frühstück?«, meinte Paul, als wir losfuhren.
»Trockenes Brot in der Ausnüchterungszelle«, ärgerte ich ihn.
»Isst du das jeden Tag auf der Arbeit?«, fragte er naiv.
Gerhard und Jutta blickten verstört, als ich mit meinem Sohn in das Büro meiner Kollegin trat.
»Ist was mit Stefanie passiert?«
Ich klärte sie über die Umstände auf.
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