Palzki 09 - Ahnenfluch
»Nicht, wenn man sich mit der Wachmannschaft gut versteht. – Zumindest mit den Männern«, ergänzte sie.
Hinter der Eingangshalle lag ein fast ebenso langer Flur, dessen gegenüberliegende Seite komplett verglast war. Ich schaute ins Freie auf einen ausgedehnten Platz und ein dahinter liegendes Restaurant. Meine Führerin ging nach links und drückte am Flurende auf eine Aufzugstaste. Der größte Aufzug, den ich je gesehen hatte, öffnete sich. Sie drückte ihren Schlüssel in das Bedienfeld und betätigte die ›1‹.
Ein letzter Blick zurück in den Flur. Nirgendwo konnte ich Jutta entdecken. Was war da los?
»Normalerweise darf man nicht allein ins erste Obergeschoss.« Sie hob die Schultern. »Wir sind aber auch zu zweit.« Wieder dieses freche Grinsen.
Der Aufzug war zweitürig. Die andere Tür öffnete sich und wir kamen in eine sonderbare Halle. An dem großen Schriftzug an der Wand erkannte ich, dass hier demnächst die Wittelsbacher Ausstellung sein würde. Noch sah es sehr chaotisch aus. Überall standen Vitrinen in den unterschiedlichsten Größen herum, dazwischen, willkürlich verteilt massiv wirkende Stellwände. Für Paul wäre dies der größte Abenteuerspielplatz seines Lebens. Anschließend wäre es für meine Haftpflichtversicherung die größte Herausforderung seit ihrem Bestehen.
Ich wurde unruhig. Bestimmt ist die Museumsleitung nicht sehr amüsiert darüber, dass eine Aushilfe fremde Besucher durch eine unfertige Ausstellung führt.
»Wenn man uns erwischt!«
Die Studentin antwortete ohne große Emotionen. »Vormittags ist hier zurzeit niemand.« Sie vollführte eine großzügige Armbewegung.
Ich sah, dass manche Vitrinen bereits bestückt waren.
»Das sind die museumseigenen Stücke«, erklärte sie mir. »Die Leihgaben werden demnächst erwartet, ein paar wenige sind bereits da. Bis dahin muss hier alles pikobello sein.«
»Das sieht mir aber noch nach viel Arbeit aus«, entgegnete ich aufgrund des Chaos.
»Täuschen Sie sich nicht. Es gibt detaillierte Stellpläne. Jede Vitrine und jede Stellwand hat ihren exakten Platz. Es wird einen geführten Weg mit Einbahnstraßenregelung geben. Die Besucher werden mittels Vitrinen und Stellwänden durch die komplette Ausstellung gelenkt.«
Sie ging auf einen langen Tisch zu, auf dem neben mit Stoff bespannten Klötzen jede Menge schwarzer Tücher lagen. Dabei stolperte ich über ein auf dem Boden liegendes Kabel.
»Passen Sie doch auf«, meckerte sie. »Jede Vitrine hat einen Beleuchtungsanschluss, manche sogar Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsregelungen.«
So viel Luxus gab es nicht einmal in KPDs Büro, dachte ich und stellte mir meinen Chef ausgestopft in einer der Vitrinen vor.
»Das ist mein Arbeitsplatz«, erläuterte sie. »Sobald die Leihgaben eintreffen, werden sie genauestens kontrolliert, protokolliert und fotografiert. Allein schon aus Beweissicherungsgründen, falls mal was auf dem Transport passiert.«
Sie drehte sich um und zeigte auf einen quadratischen Raum mit etwa zehn Metern Kantenlänge, der sich mitten in der Ausstellungshalle befand. »Das ist normalerweise unser Stuhllager, weil wir hier oben manchmal Veranstaltungen haben. Im Moment werden dort die ersten Leihgaben zwischengelagert, die vor ein paar Tagen viel zu früh ankamen. Nicht immer klappt es halt wie geplant.« Sie ging auf den Raum zu. »Kommen Sie, da drinnen gibt es keine neugierigen Kameras.«
»Werden wir beobachtet?«
»Ach vergessen Sie’s. Warum sollte sich das Wachpersonal diese Etage auf dem Monitor anschauen, wo sie doch normalerweise um diese Tageszeit menschenleer ist.«
Jetzt wurde es interessant, gleich würde ich das mysteriöse Schriftstück sehen. Leider müsste ich sie dann ohne Juttas Hilfe vorläufig festnehmen und die Kopien beschlagnahmen. Ich hoffte, dass die Studentin keine erfahrene Karatekämpferin oder so etwas in der Richtung war. Doch vorher wollte ich noch weitere Informationen aus ihr herauslocken.
»Bevor wir zum Geschäft kommen: Ich gehe davon aus, dass Ihre Professorin oder wer da auch immer im Hintergrund arbeitet, nichts von Ihren Kopienverkäufen weiß, oder?«
»Ich bin doch nicht verrückt«, antwortete sie erregt. »Frau Professorin Stadelbauer weiß davon so wenig wie meine Kommilitonen. Die Schrift, die wir entdeckt haben, wird sowieso irgendwann mal veröffentlicht werden. Ich sehe es daher nicht als Missbrauch an, vorher Kopien zu verkaufen. Damit kann ich mir ein Stück weit mein Studium
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