Palzki 09 - Ahnenfluch
finanzieren. Mein Smartphone ist immerhin schon wieder fast ein Jahr alt.«
»Was machen Sie hier oben?«
Die laute Stimme ließ uns zusammenzucken. Zwei Sekunden später wären wir in dem Raum verschwunden gewesen, doch die blondhaarige Frau, die eben gerade aus dem Aufzug gekommen war, hatte uns entdeckt.
Die Studentin antwortete spontan und ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich will nur schnell meinem Vater meinen Arbeitsplatz zeigen, Frau Block. Dann sind wir auch gleich wieder verschwunden.«
Na danke schön, dachte ich aufgebracht. Für wie alt hielt sie mich denn? Sie hätte auch sagen können, dass sie mit ihrem älteren Bruder hier ist.
»So geht das aber nicht«, sagte Frau Block und kam näher. »Sie wissen ganz genau, dass niemand ohne Genehmigung und Registrierung in die Ausstellung darf. Was meinen Sie, wenn das jeder machen würde?«
»Ist bloß mein Vater«, wiederholte sie gelassen. »Wir haben nichts angefasst.«
Dafür erntete sie einen bösen Blick.
»Ja ja, wir gehen ja schon wieder. Komm Daddy, jetzt weißt du, wo ich arbeiten muss. Wenn du mir genug Geld gibst, kann ich kündigen und mich auf’s Studium konzentrieren.«
Ich folgte der dreisten Katja Lehmann in Richtung Aufzug. Frau Block war in einen Nebenraum gegangen und somit aus unserer Sichtweite.
Kurz entschlossen ging die Studentin an der Aufzugstür vorbei, zog ihren Schlüssel aus der Tasche und schloss eine unscheinbare Tür auf. Wir kamen in ein Treppenhaus.
»Das ist nur für das Personal«, erläuterte sie. »Lassen Sie uns runter zur Schatzkammer ins Erdgeschoss gehen, da ist am wenigsten los.«
Eine Schatzkammer hatte ich mir anders vorgestellt. In dem Raum befanden sich viele Holzfiguren, Ölgemälde und religiöse Gegenstände. Einen richtigen Schatz konnte ich nicht entdecken.
Katja, von der ich rhetorisch inzwischen einiges gewohnt war, lief zielstrebig auf die einzige Person zu, die sich außer uns in der Schatzkammer befand. Es war ein Aufseher.
»Fritz, du sollst bitte mal kurz zu Frau Block ins erste OG kommen«, säuselte sie ihm zu, ohne eine Spur rot zu werden. »Ich bleibe solange hier unten und passe auf.«
Sie schaute mich schelmisch an, während Fritz verschwand. »Männer«, war ihr einziger Kommentar, »sind so naiv und leicht beeinflussbar.«
Während ich fassungslos dastand, ging sie auf eine lebensgroße Skulptur zu und schwenkte dabei ein Papier in der Hand. Doch was war das? Hatte ich Halluzinationen oder wackelte die Figur tatsächlich? Erdbeben? Nein, dann würde alles wackeln. In Zeitlupentempo kippte die Figur nach vorn und am Zielpunkt befand sich nichts ahnend die Studentin. Ich spurtete mit drei, vier Schritten zu ihr, um sie mit einem Hechtsprung aus der Gefahrenzone zu ziehen.
Ich kam eine Winzigkeit zu spät. Mit lautem Gepolter fiel der hörbar schwere Koloss auf die Studentin und zerbrach dabei in mehrere Teile. Ich selbst knallte mit meinem Kopf gegen die Figur, was mir für einen Moment die Sinne raubte. Ich spürte, wie mir warmes Blut die Schläfe hinablief. Wie in einem zerfledderten Wollknäuel lagen Katja, die Bruchstücke der Skulptur und ich auf einem Haufen. Erst jetzt nahm ich den zerschmetterten Kopf der Studentin wahr, dessen Beschreibung ich mir aus Jugendschutzgründen versage. Es sah einfach bestialisch aus. Direkt vor meiner Nase befand sich die Hand der Studentin, die nach wie vor das Schriftstück umklammerte und mich an eine bestimmte Szene eines Edgar-Wallace-Films erinnerte. Ich konnte die Papiere fassen und in meiner eigenen Hand verschwinden lassen. Mein Kreislauf gab nach. Hinzu kam, dass eine laute und schrille Sirene loslegte und mir die restlichen Sinne raubte. In den letzten Augenblicken vor meiner Ohnmacht nahm ich eine Gestalt wahr, die in historischen Gewändern hinter der Tür zum Treppenhaus verschwand.
»Palzki!«
Das Dröhnen dieser Stimme war wie der Sekundentod getaufte Kaffee meiner Kollegen: Beides konnte Tote aufwecken. Bei mir handelte es sich zwar nur um eine temporäre Bewusstlosigkeit, Dr. Metzgers Stimme würde aber auch jeden Koma-Patienten in die Realität zurückbringen.
Zweimal klatschte mir eine feuchte Pranke auf die Wange. »Na kommen Sie schon, Palzki, simulieren können Sie daheim bei Ihrer Familie. Es ist nur ein kleiner Kratzer und eine winzige Beule.«
Sein Frankensteinlachen dröhnte durch die Schatzkammer. Sollte ich durch erneute Bewusstlosigkeit eine Flucht einleiten? Nein, das wäre ungeschickt. Metzger würde
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