Palzki 09 - Ahnenfluch
reagieren konnte, erläuterte ich: »Du weißt ja, was für eine blühende Fantasie unser Sohn hat. Vielleicht sollte er weniger Computer spielen.«
Auch dieses Mal hielt mich meine Frau für zumindest halbwegs glaubwürdig. Paul wurde in sein Zimmer geschickt.
»Ich mach uns mal was zu essen«, sagte sie. »Vermutlich hast du heute noch nichts Vernünftiges gekriegt, oder?«
Ich schüttelte den Kopf, weil mir keine bessere Antwort einfiel.
Eine Stunde später saßen wir gemeinsam am Esstisch. Meine Frau hatte vorher die erwachte Lisa gestillt. »Mit ihrem Nabel ist alles in Ordnung. Er wurde heute früh noch mal genaustens untersucht.«
Da Melanie nach wie vor bei einer Freundin war, blieb ihr Platz leer.
»Du, Reiner«, begann meine Frau und ich erschrak. So begannen meistens Sätze, die Unheil ankündigten.
»Wenn ihr im Moment in den Reiss-Engelhorn-Museen und im Barockschloss ermittelt, könntest du uns mal ein paar Familienfreikarten organisieren. Die Wittelsbacher Ausstellung würde ich mir gern anschauen.«
»Da gibt’s doch nur altes Zeug!«, versuchte ich mich zu wehren und wusste, dass es umsonst sein würde. »Wir leben in der Gegenwart für die Zukunft, was sollen wir da mit Vergangenem?«
Stefanie schien einen Moment lang beeindruckt. »Du hast ja eine philosophische Ader, mein Lieber. Trotzdem, das mit dem Museumsbesuch machen wir. Ein bisschen Bildung hat noch nie jemandem geschadet. Auch einem Polizeibeamten nicht.« Sie schaute mich frech an.
»Außerdem«, ergänzte sie, »hast du dich selbst mal für Genealogie interessiert. Weißt du noch?«
»Da waren wir gerade frisch verheiratet. Weißt du, wie viele Jahre das her ist?«
»Ja, du auch?«
Ohne auf die Spitze einzugehen, fuhr ich fort. »Für Ahnenforschung braucht man viel Zeit und muss alte Schriften lesen können und in noch älteren Kirchenarchiven rumwühlen.«
»Wer weiß, vielleicht lohnt es sich und wir sind mit Rockefeller verwandt oder so?« Stefanie lächelte.
Was meine Frau sagte, stimmte schon. Damals, als ich noch viel Zeit hatte, wollte ich der Herkunft meines Nachnamens auf die Spur kommen, was aber alles andere als einfach war. Weiter als bis zu meinem Urgroßvater Kurt Palzki bin ich damals nicht gekommen. Alle mir zugänglichen Quellen konnten mir nicht helfen, meinen Ahnenstamm weiter zurückzuverfolgen.
»Sobald ich Zeit habe, schreibe ich Rockefeller einen Brief, okay?«
Die Debatte ging noch eine Weile hin und her und wurde durch das Erwachen von Lars abgebrochen. Der normale Wahnsinn hatte unsere Familie wieder eingeholt.
Kapitel 8: Die Lindenholzskulptur
Der nächste Morgen begann harmlos. Paul verschlief das Frühstück, Melanie war außer Haus untergebracht und Stefanie kümmerte sich um die Zwillinge. Um ein gesundes Frühstück zuzubereiten, hatte sie dennoch Zeit. Dicke Scheiben Goudakäse in Kombination mit klebrigem Vollkornbrot gehörte nicht zu meinen kulinarischen Favoriten, was ich aber nicht an die große Glocke hängte. Gestärkt fuhr ich mit dem Wissen der vielen Einkehrmöglichkeiten der Mannheimer Innenstadt ins Büro.
Jutta erwartete mich mit einem provozierenden Blick auf die Uhr. »Guten Morgen, auch schon da?«
Ich murmelte eine unverständliche Begrüßung.
»Wo hast du Paul gelassen? KPD hat schon nach ihm gefragt.«
»Das war jetzt ein Witz, oder?«
Sie lachte. »Na klar, auch Frauen können lustig sein. Wie geht’s Lisa und deiner Frau?«
»Alles im grünen Bereich«, antwortete ich stolz. »Einen Palzki haut so schnell nichts um.«
»Das haben wir vorgestern deutlich gesehen«, frotzelte sie und zeigte auf meinen Arm. Den Verband hatte mir gestern Abend Stefanie entfernt und als Ersatz ein Pflaster draufgeklebt. ›Ist ja nur ein Kratzer‹, meinte sie geringschätzend.
»Fahren wir gleich los oder gibt’s Neuigkeiten?«
»Gerhard und Jürgen sind vor einer Stunde nach Mannheim zu Rocksinger gefahren. Sie wollen die Gewänder beschlagnahmen. Eigentlich müssten die beiden längst zurück sein.«
»Die sind bestimmt unterwegs frühstücken. Das trau ich denen zu, während der Arbeitszeit.«
»So was machst du selbstverständlich nie«, sagte Jutta und schnappte sich ihre Tasche. »Los komm, ich fahr.«
Dies war mir überhaupt nicht recht. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie es schon wissen: Jutta war eine Heizerin. ›Heizen‹ bedeutete hier nicht das Umgangssprachliche schnell fahren, sondern einen Temperaturhinweis. So wie es physikalisch gesehen bei Minus 273 und
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