Palzki 09 - Ahnenfluch
sein.«
Sie zeigte auf die unterste der beiden Logen.
»Der Kollege, der die Führung hielt, kam kurz zu uns rein und meinte zu mir, dass er mir etwas zeigen möchte. Ich ging dann mit ihm und seinen Zuhörern ins zweite Vorzimmer. Er zeigte mir den offenen Kamin. Ein Unbekannter hatte darin Papier verbrannt. Das ist natürlich ungeheuerlich, da im Schloss absolutes Rauch- und Feuerverbot gilt.«
»Haben Sie den Feuerteufel erwischt?«
»Es ist uns allen absolut schleierhaft, wie das passieren konnte. Aber das ist noch nicht alles. Als ich zur Loge zurückkam, war Frau Stadelbauer mit ihren Studenten spurlos verschwunden.«
Ich hatte keine Ahnung, wie ich das verbrannte Papier einordnen sollte. Alles könnte im Prinzip harmlos sein, vielleicht waren die Ausstellungsstücke im dritten Obergeschoss noch original.
»Und Sie haben überall gesucht?«
»Sogar mit sämtlichen Kollegen. Wir haben das Schloss komplett durchsucht, auch die geheimen Ecken.«
»Geheime Ecken?« Warum musste ich meinen Mitmenschen die interessanten Informationen stets aus der Nase ziehen?
»Nicht das, was Sie jetzt denken, Herr Palzki. Wir Mitarbeiter kennen die Ecken natürlich. Zum Beispiel gibt es in den Degagements ein Garderobenzimmer, das nicht betreten werden darf. Von der Tür aus kann man Kleidungsstücke wie Korsetts bewundern. Wenn man allerdings in den Raum hineingeht, findet man im hinteren Bereich eine Tür, die zu einer schmalen Treppe nach oben führt. Und dort oben gibt es einen Raum, der vom zweiten Stockwerk aus keinen Zugang hat. Das liegt daran, dass es sich um einen kleinen Anbau des Schlosses handelt, der später angeflanscht wurde.«
Ich wartete vergeblich darauf, dass sie weitersprach. »Jetzt sagen Sie schon endlich, was ist in dem Raum?«
Sie lachte. »Ein Büro, sonst nichts. Im Erdgeschoss gibt es dafür nicht genügend Platz.«
Ich überlegte, ob sie mich auf den Arm nahm. »Man muss also durchs Museum laufen, um in das Büro zu kommen?« Ich hatte zwar keine Ahnung, was die oder das erwähnte Degagement war, es klang aber nach Museum.
»So ist es«, antwortete sie. »Der Herr, der darin arbeitet, hat es sich sehr gemütlich eingerichtet. Von ihm stammt übrigens der Führer, den Sie in der Hand halten.«
Enttäuscht von den sogenannten geheimen Ecken resümierte ich die Geschichte um die Professorin. »Wenn Ihre Kollegen und Sie das ganze Schloss abgesucht haben, bleibt eigentlich nur eine Lösung: Die vier sind in der Zwischenzeit gegangen.«
»Es muss eine weitere Möglichkeit geben, denn das ist so gut wie unmöglich.«
»Wieso denn das?«
»Weil man ohne Schlüssel weder in das Schloss reinkommt noch hinaus«, antwortete sie bestimmt. »Die Eingangstür muss immer verschlossen sein. Und das war sie auch.«
Nachzufragen, ob die Professorin einen Schlüssel hatte, ersparte ich mir. Woher auch? Ich stand vor einem Dilemma. Sollte ich versuchen, das geheimnisvolle Verschwinden der Vierergruppe zu lüften, auch wenn sich die Lösung wahrscheinlich als trivial herausstellen würde? Oder sollte ich den Weg des geringsten Widerstands gehen und einfach abwarten, bis die Dame von allein wieder auftauchte?
Meine Neugier gewann. Weniger meine Neugier bezüglich des Museums, da hatte ich in den letzten Tagen genügend Museen gesehen. Aber das dritte Obergeschoss, das im Buch nicht erwähnt wurde, sowie die Ausstellungsstücke über die Wittelsbacher, das sollte ich mir schon anschauen.
»Ich verstehe«, sagte ich zu Frau Bayer. »Wir werden systematisch vorgehen. Zeigen Sie mir bitte zuerst die Loge, damit ich mir den Ausgangspunkt einprägen kann. Dann würde ich gern den dritten Stock sehen.«
»Wollen Sie das allein machen, Herr Palzki? Sollen wir nicht besser ein paar Ihrer Kollegen hinzurufen?«
»Warum denn?«, widersprach ich. »Gefährlich werden kann es nicht. Schließlich haben Sie bereits alles durchsucht.«
»Wie Sie meinen, dann kommen Sie mal mit.«
Wir verließen die Kapelle auf dem gleichen Weg, auf dem wir hergekommen waren. Am Anfang des Durchgangs zum Mittelteil des Gebäudes schloss sie eine Tür auf. Unmittelbar dahinter ging eine Treppe nach oben. Als wir den ersten Raum betraten, fühlte ich mich um Jahrhunderte zurück versetzt.
»Wir befinden uns jetzt im ersten Vorzimmer von Carl Theodor.« Sie zeigte nach links. »Dort geht es zum zweiten Vorzimmer, zur Hofloge müssen wir aber geradeaus.«
Während ich ihr durch einen kleinen Durchgang folgte, dachte ich darüber nach,
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