Palzki 09 - Ahnenfluch
Schlagartig kam mir der Armbrustschütze in den Sinn.
»Langsam, langsam«, beruhigte ich sie und wartete, bis sie zum Stillstand gekommen war. Während sie nach Luft schnappte, klärte ich den Irrtum auf: »Leider kann ich Ihnen nicht helfen, ich bin selbst auf der Suche nach der Professorin. Ich weiß nur, dass sie gestern Nachmittag mit ein paar Studenten nach Schwetzingen gefahren ist.«
Sie sah enttäuscht aus. »Aber das weiß ich doch«, entgegnete sie. »Ich glaube, da muss etwas passiert sein. Das Beste wird sein, wenn ich die Polizei rufe, das ist längst überfällig.«
Dieses Mal hielt ich es für angezeigt, gleich meine wahre Identität zu präsentieren. Nicht, dass sie auf dumme Gedanken kommen und mich irgendwo einsperren würde. Außerdem lief die Parkzeit unerbittlich.
Ich zückte meinen Dienstausweis und hielt ihn ihr vor die Augen. »Die Polizei ist schon da.« Schnell zog ich das Plastikstück wieder zurück, bevor sie Details wie Bundesland erkennen konnte.
»Wann und wo haben Sie die Professorin zuletzt gesehen?« Nur mit einer aktiven Gesprächsführung konnte ich wertvolle Informationen in kurzer Zeit erhalten.
»Ja, natürlich«, sagte sie wenig Frage-Antwort-konsistent, »mein Name ist übrigens Sophie Bayer. Entschuldigen Sie bitte mein Aussehen, ich habe gerade eine Führung durchs Schloss in historischer Bekleidung beendet.« Sie schaute mir kurz in die Augen. »Und wie heißen Sie?«
»Palzki«, antwortete ich. »Reiner Palzki.« Viel hatte sie auf meinem Dienstausweis anscheinend nicht erkennen können.
»Kennen Sie Frau Stadelbauer näher?«, wollte ich wissen.
»Ich habe bei ihr studiert. Als sie gestern Nachmittag plötzlich vor mir stand, war ich sehr überrascht. Das, was sie mir erzählte, war dann sehr haarsträubend.«
»Sie erzählte Ihnen von den Ausstellungsstücken, die vertauscht werden sollen, stimmt’s?«
Sie nickte. »Gehen wir nach vorn?«
Gemeinsam gingen wir den Fußweg zum Schloss. Das Mittelstück mit dem Durchgang zum Schlossgarten war etwas nach hinten zurückversetzt. Frau Bayer ignorierte den Durchgang und bog vor dem Gebäude rechts ab. Kurz danach öffnete sie eine Tür, die in ein Nebengebäude führte.
»Dies ist die Schlosskapelle«, klärte sie mich auf.
Sie war wesentlich kleiner und spartanischer ausgestattet als die Kirche im Mannheimer Barockschloss. Drachen konnte ich auch keine ausmachen, aber ich war schließlich kein Kind. Auf der schlossabgewandten Seite entdeckte ich auf einer Empore eine Orgel. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es eine zweistöckige Loge. Hoffentlich blieb mir wenigstens eine Gruft erspart.
Sie zeigte auf die untere Loge. »Dort habe ich gestern Frau Stadelbauer und ihre drei Studenten das letzte Mal gesehen. Seitdem ist sie spurlos verschwunden. Sie geht auch nicht an ihr Handy.«
»Kann es sein, dass sich die vier irgendwo im Schloss aufhalten?«
Sie schüttelte heftig den Kopf, dabei flog mir ein Teil ihrer Haare ins Gesicht. Sofort entschuldigte sie sich.
»Das funktioniert nur theoretisch. Sobald abends die Alarmanlage scharf geschaltet wird, kann sich in dem Gebäude niemand mehr unbefugt aufhalten.«
Falls nicht zufällig die Stromsicherung entfernt wurde, dachte ich über eigene Erfahrungen nach.
Sie erzählte weiter. »Folglich müssen sie und die Studenten das Schloss verlassen haben, was aber unmöglich ist. Aber warum erreiche ich sie dann nicht? Außerdem waren wir mit der Untersuchung noch nicht fertig.«
»Welche Untersuchung?« Die Frage nach der Unmöglichkeit, das Gebäude zu verlassen, speicherte ich im Zwischengedächtnis ab, um sie nicht zu überfordern.
»Die Leihgaben, die für die rem-Museen und das Barockschloss gedacht sind, stehen zurzeit aus Platzgründen bei uns im dritten Obergeschoss. Wenn die Museen in Mannheim mit dem Umbau fertig sind, werden sie abgeholt. Aus Sicherheitsgründen weiß das aber so gut wie niemand. Frau Stadelbauer hat die Ausstellungsstücke kurz begutachtet, konnte aber ohne nähere Prüfung nicht erkennen, ob es sich um die Originale handelt oder ob sie bereits gegen Kopien ausgetauscht wurden.«
»Und dann?«
Frau Bayer zuckte mit den Schultern. »Sie war unschlüssig, da sie ja keine Beweise für ihre Vermutung hatte. Gemeinsam gingen wir nach unten. Im ersten Stock stand die Tür zum ersten Vorzimmer offen, da ist sie dann mit ihren Studenten rein. Da im gleichen Moment eine Führung kam, gingen wir raus in die Hofloge, um aus dem Weg zu
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