Palzki 09 - Ahnenfluch
Ausnahmen gebe es in dieser Stadt nur für den Bürgermeister und ein paar seiner Freunde, meinte sie. Außerdem würde ich den Verkehr behindern.
Darüber war ich mehr als erstaunt. Der komplette Straßenbereich vor dem Schloss war verkehrsberuhigt. Gewaltige Tafeln kündigten Radarkontrollen an, die bestimmt zur Refinanzierung des Schlosses dienten.
Um Aufsehen zu vermeiden, knickte ich, es war bestimmt das erste Mal in meinem Leben, vor so viel Ordnungsmacht ein. Grummelnd fuhr ich auf einen in der Nähe gelegenen Parkplatz, der ein Schweinegeld kostete. Bestimmt funktionierte später beim Bezahlen die Quittungsausgabe nicht, sodass es mich eine halbe Arbeitswoche kosten würde, mein vorgelegtes Privatvermögen wieder zurück zu erhalten.
Ich schob dieses Problem erstmal zur Seite, schließlich musste ich die Professorin finden, koste es fast, was es wolle. Einen groben Plan hatte ich längst geschmiedet, zumindest für die erste Etappe.
Etwa 100 Meter vor dem Schloss entdeckte ich zwei Pavillons, im rechten befand sich neben der Kasse auch ein Souvenirladen. Erst nachdem ich die englischsprachige Tafel mit den Eintrittspreisen und anderen Informationen übersetzt hatte, entdeckte ich daneben die deutschsprachige Variante. Ich verbuchte das kleine Missgeschick als Auffrischungskurs in eigener Sache.
Mein Plan, zunächst einen Führer durch das Gebäude zu erwerben, wurde durch die Vielfalt der angebotenen Medien beeinträchtigt. Einfach die Dame hinter der Kasse zu fragen, war für mich natürlich keine zulässige Option. Ich benötigte auch gar nicht so furchtbar lang, um mich auf einen Schlossführer des Autors Wolfgang Schröck-Schmidt zu einigen. Den Kauf einer Eintrittskarte lehnte ich zunächst ab.
Mit meiner Neuerwerbung setzte ich mich in ein Café, das sich gegenüber des Kassenpavillons befand.
www.ahnenfluch.palzki.de/schwetzingen.html
Zunächst interessierte mich weniger die Geschichte des Schlosses und des Parks als die schematischen Karten am Ende des Buches. Schnell erkannte ich, dass neben dem Erdgeschoss, das Kapelle und Verwaltung beherbergte, die ersten beiden Obergeschosse museal ausgebaut waren. Von einem dritten Obergeschoss konnte ich in dem Führer auf die Schnelle nichts finden. Mein Blick in Richtung des mächtigen Schlosses zeigte mir allerdings unverkennbar, dass es dieses und ein zusätzliches Dachgeschoss gab. Die Bemerkung Stadelbauers gegenüber ihrer Nachbarin ergab folglich einen Sinn. Wurden dort oben, wo es keine Führungen gab, die Leihgaben verschoben? Doch wie sollte ich da hinkommen? Wenn mein Wissen über die Wittelsbacher Zeit eine Nuance besser wäre, könnte ich mich der Verwaltung inkognito als neuen Führer durch das Schloss anbieten. Vielleicht sollte ich Juttas Taktik ausprobieren und einfach fragen? Zwecks fehlender Alternative tat ich genau das. Nachdem ich Getränke und das doppelte Frühstück mit dem Namen ›Sommerfrische‹ bezahlt hatte, ging ich erneut in den Souvenirladen.
»Ich suche eine Kollegin von mir, Frau Professorin Beate Stadelbauer.« Durch die Nennung des Titels erhoffte ich mir eine bevorzugte Behandlung.
»Tut mir leid, der Name sagt mir nichts«, antwortete die Dame hinter der Kasse freundlich und zuvorkommend. »Gehört sie zu der Delegation, die zur Tagung angereist ist?«
Und wieder ein potenzieller Querschläger, dachte ich. Ohne zu wissen, was es mit der Tagung auf sich hatte, verneinte ich.
»Ich denke nicht. Würden Sie bitte bei Ihren Kollegen nachfragen? Es ist nämlich sehr wichtig.«
Sie nickte mir freundlich zu und nahm den Hörer ab. Zwei- oder dreimal wählte sie neue Kurzwahlnummern, bis sie jemanden erreichte und meine Frage weitergeben konnte.
»Ja, ja, klar, mach ich«, stotterte die Dame und wirkte schlagartig nicht mehr ausgeglichen. Sie legte den Hörer auf.
»Einen kleinen Moment bitte. Frau Sophie Bayer kommt gleich zu Ihnen.«
Ich musste nicht lang warten. Eine jüngere Frau, ich schätzte sie auf Mitte 20, stürzte regelrecht in den Laden. Verblüfft registrierte ich, dass sie alte Kleider trug. Also irgendwas, das aus dem Mittelalter stammte oder aus Zeiten Carl Theodors, so genau konnte ich das intuitiv nicht zuordnen.
»Haben Sie Neuigkeiten von Frau Stadelbauer?«, rief sie mir entgegen, während sich ihre langen und wehenden Haare in einem Bücherregal verfingen.
Huch, welcher Wirbelwind kam da angeflogen, dachte ich erstaunt. Die scheint es sehr eilig zu haben. Und dann diese Kostümierung.
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