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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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Vaters Buch vor ihm
beschützt. Doch in welcher Eigenschaft wirst du uns beschützen? Wie nahe stehst
du uns? Das ist jetzt die Frage.«
    Er schien etwas sagen zu wollen,
doch ich brachte ihn durch meine Blicke zum Schweigen, so leicht, als hätte ich
so etwas schon oft getan.
    »In den Augen des Kadis ist mein
Ehemann, ist seine Familie mein Vormund nach dem Tod meines Vaters. Selbst vor
Vaters Tod war es so, denn für den Kadi ist mein Ehemann noch am Leben. Der
jüngere Bruder meines Mannes hat versucht, aus dessen Abwesenheit Nutzen zu
ziehen und sich meiner zu bemächtigen, und nur weil diese schamlose, ungeschickte
Handlungsweise meinen Schwiegervater unsicher machte, habe ich auch ohne den
Scheidungsspruch zu meinem Vater zurückkehren können. Nun aber, da mein Vater
tot ist und ich nicht einmal einen Bruder habe, stehe ich vollkommen allein da.
Vielmehr, der Bruder und der Vater meines Ehemanns sind zweifellos meine
Angehörigen. Du weißt ja, sie haben schon etwas unternommen, um mich in ihr
Haus zurückzuholen, haben Zwang auf meinen Vater ausüben wollen und beschlossen,
mich mit Drohungen in die Enge zu treiben. Sie werden alles tun, um mich sofort
zurückzubringen, sobald sie vom Tod meines Vaters hören. Weil ich aber
keinesfalls in jenes Haus zurückgehen will, verheimliche ich den Mord an meinem
Vater. Vielleicht sogar vergebens, denn sie könnten ihn veranlaßt haben.«
    Gerade in diesem Augenblick stahl
sich ein feines Strahlenbündel durch die zerbrochenen Läden und durchlöcherten
Fenster in das Haus des gehenkten Juden und goß Licht auf den uralten Staub
zwischen Kara und mir.
    »Den Mord an meinem Vater
verheimliche ich nicht allein aus diesem Grund«, sagte ich, schaute Kara gerade
in die Augen und war froh, daß die seinen nicht so sehr voll Liebe, als
vielmehr mit großer Aufmerksamkeit auf mich gerichtet waren. »Es macht mir angst,
daß ich nicht beweisen kann, wo ich war, während mein Vater umgebracht wurde.
Auch wenn Hayriye keinen Wert als Zeugin hat, so muß ich doch befürchten, daß
sie in die Intrige verwickelt sein könnte, die sich gegen mich – und falls
nicht gegen mich, so gegen das Buch meines Vaters – richtet. Da ich nun keinen
ordentlichen Vormund mehr habe und ganz auf mich gestellt bin, könnte die
Bekanntgabe der Bluttat zwar eine Anerkennung des Mordes an meinem Vater durch
den Kadi zunächst einmal erleichtern, doch kann ich mir sehr gut vorstellen,
was ich mir damit allein aus den genannten Gründen einbrocken würde – wenn
Hayriye zum Beispiel wüßte, daß mein Vater eine Heirat mit dir nicht wollte.«
    »Dein Vater wollte nicht, daß ich
dich heirate?« fragte Kara.
    »Er wollte es nicht; wie du weißt,
hatte er Angst, du könntest mich von hier fort irgendwo in die Ferne bringen.
Da du jetzt aber meinem Vater eine solche Schlechtigkeit nicht mehr zufügen können
wirst, hätte in dieser Lage mein armes Väterchen keinen Einwand mehr gegen
unsere Heirat. Hast du einen Einwand?«
    »Keinen, meine Liebste!«
    »Gut. Mein Vormund verlangt auch
keinerlei Geld oder Gold von dir. Ich bitte um Vergebung, daß ich so
unverschämt bin, im eigenen Namen über die Bedingungen meiner eigenen Vermählung
zu sprechen. Aber ich stelle einige Forderungen, auf deren Einzelheiten ich
leider sofort eingehen muß.«
    Da ich lange schwieg, kam
schließlich in einem Ton, als würde er sich für die Verspätung entschuldigen,
von Kara ein »Ja«.
    »Erstens«, begann ich, »wirst du vor
zwei Zeugen schwören, daß du mich als geschieden anerkennst und für mich
aufkommst, falls du mich unerträglich schlecht behandelst oder außer mir noch
eine andere Frau heiratest. Zweitens wirst du vor zwei Zeugen schwören, daß
ich als geschieden gelte und versorgt werde, falls du begründet oder
unbegründet länger als sechs Monate von zu Hause abwesend bist und nicht
zurückkehrst. Drittens wirst du natürlich nach der Eheschließung in mein Haus
einziehen, aber bis der Schuft gefunden wird, der meinen Vater ermordet hat,
oder bis du ihn findest – ich möchte ihn mit eigenen Händen foltern! –, und bis
das Buch unseres Padischahs dank deines Könnens und deiner Mühe beendet und ihm
in allen Ehren überreicht worden ist, wirst du nicht im gleichen Bett mit mir
schlafen. Viertens wirst du meine Söhne, die noch im gleichen Bett mit mir
schlafen, so lieben, als wären sie deine eigenen Söhne.«
    »Einverstanden.«
    »Gut. Wenn alle vor uns liegenden
Hindernisse so rasch zu beseitigen

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