Pan Tau
schon alles egal.
Er öffnete eine der Türen zum Unterdeck und atmete auf. Es war die Kapitänskajüte. Sie duftete nach Lärchenholz und auch ein wenig nach Pfeifentabak und dem Leder der tiefen Stühle. Der Junge machte es sich in einem der Stühle bequem und zog die Schuhe aus. In der Ecke stand eine altmodische Lampe. An der Wand hing ein Bild von einem Walfisch, der Wasser in die Luft spritzte. Unter dem Bild stand ein uraltes Grammophon. Wenn man es aufzog, spielte es La Paloma. Er entdeckte noch ein Schächtelchen, und in dem Schächtelchen zwei Bonbons. Unten im Kesselraum lagen Berge von Kohlen. Pan Tau heizte ein, damit sie nicht froren, und kehrte in die Kajüte zurück. Das Grammophon spielte immerfort La Paloma, und Kai lutschte bereits das zweite Bonbon. Das Schiff schaukelte auf den Wellen. Er war schon fast eingeschlafen. Halb im Traum sagte er: »Tu was, damit wir zum Meer fahren. Aber zuerst machen wir bei Mammi und Vati Station.«
Früher hätte Pan Tau nur mit den Achseln gezuckt. Warum nicht? Zum Meer zu fahren, das hätte ihm auch gefallen. Jetzt aber schaute er nur traurig seine Melone an. Sie taugte nichts mehr.
Sogar die Kohlen mußte er eigenhändig in den Heizkessel schaufeln. Aus war’s mit den Zaubereien!
Der Junge schlief. Pan Tau setzte sich in den andern Stuhl. Es war angenehm warm in der Kajüte. Die Nautilus schaukelte auf den Wellen. Durch das Fensterchen leuchteten die Sterne. Auch sie schaukelten. Hinauf und hinunter. Bis sie von einem blauen Himmel verdrängt wurden. Die Sonne schien in die Kajüte. Pan Tau erwachte. Er sah sich um. Der Junge war nicht da.
Auch auf dem Deck war er nicht.
Im Unterdeck ratterten die Maschinen, das altmodische Schaufelrad drehte sich und spritzte Wasser in die Höhe. Die Nautilus schwamm gemächlich in der Flußmitte. Den Lärm der Maschinen und das Tuten der Schiffssirene überschrie eine Stimme:
»Kurs aufs Meer! Mit vollem Dampf voraus!«
Es war der wasserdichte Knabe Kai. Er stand am Steuer und war außer sich vor Begeisterung. Vor ihm der Fluß, auf dem Kopf die Kapitänsmütze. Erbefahl Pan Tau:
»Mannschaft! Den Schornstein einziehen, sonst prallen wir gegen die Brücke.«
Verzweifelt griff Pan Tau nach der untauglichen Melone. Nichts änderte sich. Der Schornstein des Dampfers ragte nach wie vor zum Himmel, überragte die Brücke, der sich die Nautilus näherte. Pan Tau begriff, er mußte etwas unternehmen, um den Jungen, den Dampfer und die Brücke zu retten. Er lief zum Schornstein, verfitzte sich aber in den Seilen, mit denen der Schornstein festgezurrt war. Zweimal verbrannte er sich die Finger. Beim drittenmal gelang es ihm, die Seile zu lockern und den Schornstein einzuholen. Rauch wehte ihm in die Augen. Wie durch einen Nebel sah er die Brücke, unter der sie eben durchfuhren.
Der wasserdichte Knabe Kai rief von der Kommandobrücke: »Mannschaft ins Unterdeck! Kohle zulegen!«
Pan Tau eilte ins Unterdeck. Von Maschinen verstand er gar nichts. Er wußte nur, daß man das Feuer unter dem Kessel löschen mußte, um den Dampfer zum Stehen zu bringen. Endlich hatte er den Verschluß des Hydranten entdeckt. Er drehte an ihm. Aus den Röhren an der Decke spritzte Wasser. Das war schlimm. Wieder war Pan Tau naß, von der Melone bis zu den Schuhen. Auf der Treppe erschien der wasserdichte Knabe Kai. Seine Augen leuchteten. »Willst du aus dem Dampfer ein U-Boot zaubern?«
Pan Tau gab auf. Er stellte das Wasser ab. Gehorsam legte er Kohlen zu. Dann ging er hinauf auf Deck, um das Wasser aus der Melone und den Taschen zu schütten. Dann sah er das offene Tor der Schleuse.
Er drehte sich um. Hinter ihnen jagten Motorboote der Wasserschutzpolizei her. Die Nautilus fuhr in die Schleuse wie in eine Falle. Das schwere Tor hatte sich schon hinter ihr geschlossen.
Pan Tau hob die Melone vom Kopf. Ihm schien, daß sie nun etwas lockerer saß als zuvor. Aber sie war patschnaß. Er versuchte die Zaubergeste. Es war im gleichen Augenblick, als ihn eine verheulte Person mit Kapitänsmütze fragte:
»Mannschaft, ergeben wir uns?«
Dazu war kein Grund mehr.
Pan Tau trommelte noch einmal auf die Melone und...
Aussage des Wasserschutzpolizeikapitäns Lubomir Fiala (27 Jahre)
Mit eigenen Augen sahen wir, wie der Dampfer Nautilus in die Schleuse einfuhr. Auf Deck waren zu dieser Zeit zwei Personen: ein Mann mit Melone und ein Junge mit Mütze, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß sich noch weitere Täter verborgen hielten. Das Schleusentor
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