Pan Tau
Anschlag brachte, krachte die Wirtshaustür auseinander, und der Hund mit Billardtisch stand im Freien. Die beiden anderen Hunde hatten sich zum Glück in ihren Ketten verfangen. Viola flüchtete unentwegt, bis zum Bach hinter der Stadt. Vor sich Claudia und hinter sich den unglückseligen Herrn mit Melone, sagte er:
»Ich hoffe, daß wenigstens der Zug...« Da das Hundegebell immer näher kam, schrie er aufgeregt: »Rennen Sie uns doch nicht nach! Verwischen Sie lieber die Spuren!«
Er beruhigte sich etwas, als Pan Tau zurückblieb und die Verfolger in eine falsche Richtung rannten. So gelang es ihm, mit Claudia den Bach zu überqueren. Der Weg führte bergauf weiter zu den Felsen.
Die Gegend kenne ich doch, dachte er. Hinter der Felszacke dort muß diese Krummholzfichte stehen, deren Wurzeln das Felsgestein durchwachsen und da so etwas wie Treppen gebildet haben. Diese Treppen müßten zu einem Steinbruch mit einer Höhle führen. Und in dieser Höhle unter einem Stein, zu dem geheime, von Buben gesetzte Zeichen weisen...
»Die Stühle habe ich gut umgeworfen, nicht wahr?« sagte Claudia.
»Fein hast du das gemacht!«
Sie liefen an der Krummholzfichte vorüber. Wo der Weg weiter zum Steinbruch hinunterführte, waren die Wurzeln der Fichte von vielen Bubenfüßen ganz abgescheuert.
»Wie eine Treppe!« flüsterte Claudia.
»Es ist eine Treppe«, sagte W. Viola, der nun über unendliche Umwege, im geflickten Anzug, wieder hierher zurückgekehrt war. Er hob einen Stein auf, wog ihn in der Hand, und wie einst traf er die Krummholzfichte aus einer Entfernung von hundert Schritt. Nur die Höhle, so schien ihm, war früher größer gewesen. Die geheimen, von Buben in den Fels geritzten Zeichen wiesen zu dem dritten Stein. Viola wußte, wenn er ihn wegwälzte, würde er das finden, w as er verloren und vergessen hatte und seit dem Augenblick wieder suchte, als Claudia zu ihm gekommen war.
Aber es blieb ihm keine Zeit mehr. Hinter ihnen dröhnten Schritte, Hunde bellten, und sie mußten zu dem kleinen Bahnhof rennen, wo ein Zug und der Herr mit Melone auf sie warteten. Als sie eingestiegen waren, setzte sich W. Viola erschöpft auf eine Kiste mit einem aufgemalten Eisbären. In der Kiste war Bananeneis.
Im neunten Kapitel beendet Viola seinen Reisebericht, und Vivian entdeckt eine weitere Spur.
»Und die Nacht unter der Brücke, die Vagabunden und die Keilerei?« fragte Vivian.
»Alles wie bestellt«, sagte W. Viola. »Fünf Vagabunden zu Boden geworfen. Ein perfektes Tau-Service. Zwanzig zahme Ratten. Mein Bett hinter dem Brückenbogen, damit Claudia nichts merkte. Im Bett ein sechster Vagabund. Der einzige echte. Er hat mir die Uhr gestohlen und die Jacke. Die Rückreise war unendlich lang. Fünf Tage beim Zirkus Grand. Wir mußten die Banane abarbeiten, die Claudia dem Schimpansen Hamilton weggegessen hatte. Ich lernte einen Elefanten abschrubben, den Reifen halten, durch den der Löwe springt, und den Kopf in den Schlund blutrünstiger Tiger stecken.«
»Tadschmahal!«
Viola lächelte und rieb sich nun nicht mehr die Nasenspitze.
»Den Elefanten habe ich tatsächlich abgeschrubbt, ob Sie mir das glauben oder nicht, Anderson! Claudia und ich kehrten auch das Sägemehl in der Manege zusammen. Wir brachten den Dromedaren Wasser und halfen dem Zauberer. Diese Tage werde ich nie vergessen. Auch nicht die Marktfrau, der ich am dritten Tag unserer Reise meinen Brillantring für einen Laib Brot gab. Sie warf den Ring Kindern zum Spielen hin, denn es war ja lächerlich, daß ein Vagabund einen kostbaren Brillantring besitzen sollte. Dinge, die ich früher für wichtig gehalten hatte, verloren auf einmal ihren Wert. Die Welt, die ich da in Landstreicherklamotten entdeckte, brauchte weder Taschenfernseher noch den Viola-Elektro mit seinen vierundvierzig Zimmern und dem Schwanenteich.«
Nach einer kurzen Pause meinte er:
»Vielleicht war es gerade das, was mir Pan Tau sagen wollte, als er mein Reisebürospiel annahm.«
Die Abenddämmerung senkte sich auf Prags Türme herab. Der Irrgarten der Durchgänge und Höfe nahm kein Ende. Auf einmal kamen wir wieder an dem Mädchen mit den Kätzchen vorbei.
Es sagte:
»Das achtzigste Kätzchen heißt Tappsi.«
Tappsi hieß auch das erste Kätzchen.
Wir waren also wieder in der Stupartgasse, aber nun war es eine völlig andere Gasse als zuvor. Die Fenster der Häuser glänzten rot in der untergehenden Sonne. Die Durchgänge waren geheimnisvoll schwarz. In den Höfen
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