Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
hergekommen war. Der Krähenmann hatte ihn in seinem Schlupfwinkel überwältigt und ihm ein feuchtes Tuch auf Nase und Mund gepresst, woraufhin er das Bewusstsein verloren hatte. Aufgewacht war er in dem Bett, auf dem er gerade saß. Seitdem hatte sich der Krähenmann nicht wieder blicken lassen - was Jackon nicht gerade bedauerte. Ihm lief ein kalter Schauder über den Rücken, wenn er sich daran erinnerte, wie sich die Krähe vor seinen Augen in einen Menschen verwandelt hatte.
    Unversehens war er in eine fremde und bedrohliche Welt geraten. In den Kanälen wusste er stets, was er tun und lassen musste, um den zahlreichen Gefahren zu trotzen. Hier jedoch war er hilflos. Verloren.
    Wo auch immer »hier« war.
    Wenn er aus dem Fenster blickte, sah er verwitterte Fassaden im Schein der Gaslaternen, Torbögen aus rußigem Stein, Erker und gusseiserne Balkone. Verwachsene Bäume neigten sich über die Straße, auf der selbst bei Sonnenschein nicht viele Menschen unterwegs waren, meist Männer mit Gehröcken und Spazierstöcken, die aus Droschken stiegen. All das deutete darauf hin, dass er sich irgendwo in der Altstadt befand.
Aber sicher war er sich nicht. Denn abgesehen von ein paar Abstechern in den Kessel und den Chymischen Weg hatte er die Grambeuge und das Hafenviertel noch nie verlassen.
    Das Gewitter schien immer schlimmer zu werden. Als er gerade beschloss, diese ungemütliche Nacht im Bett zu verbringen, hielt vor dem Haus eine Kutsche.
    Unruhe erfasste ihn. Also hatte er sich nicht getäuscht, was den Haarschnitt betraf: Jemand kam hierher - zu ihm.
    Eine Gestalt stieg aus und ging im grünen Licht der Kutschenlaternen zur Haustür. Es war der Krähenmann.
    Jackons Unruhe verwandelte sich in Angst. Ihm kam der törichte Gedanke, sich zu verstecken. Aber wo? In diesem Haus gab es keine Verstecke, die nicht auch seine stummen Wächter kannten.
    Aufgeregt ging er im Zimmer umher und überlegte, was er jetzt tun sollte. Als sich die Tür öffnete, erstarrte er.
    Der Krähenmann sah genauso aus wie bei ihrer ersten Begegnung, abgesehen davon, dass sein schwarzer Mantel nass vom Regen war.
    »Zieh dich an«, befahl er mit einer seltsam tonlosen Stimme.
    »Wohin gehen wir?«
    »Das erfährst du noch früh genug. Nun mach schon.«
    Mechanisch gehorchte Jackon, öffnete eine Kleidertruhe und schlüpfte in einen Mantel. Dann folgte er dem Krähenmann nach unten, wo die Zwillinge standen. Der Krähenmann gab einem von ihnen einen Lederbeutel, wofür sich der Stumme mit einer Verneigung bedankte.
    Jackon warf den beiden Männern einen hilflosen Blick zu. Ihre Gesichter waren bar jeder Regung, als der Krähenmann die Tür öffnete und ihn mit einer Geste aufforderte, nach draußen zu gehen.
    Regen peitschte ihm ins Gesicht, bevor jemand die Kutschentür von innen öffnete und ihn einsteigen ließ. Drinnen
saß eine Frau, die wie der Krähenmann einen langen Mantel und schwarze Stiefel trug. Ihr rotbraunes Haar hatte sie streng nach hinten gebunden, ihr Gesicht wirkte hart, unter den dunklen Augen lagen Schatten. Sie bedachte ihn mit einem bohrenden Blick.
    »Schön brav sein, ja?«, sagte sie. »Wenn du irgendwelche Mätzchen machst, werde ich ungemütlich.«
    Jackon schluckte und sah zu Boden.
    Nachdem der Krähenmann eingestiegen war, setzte sich die Kutsche in Bewegung und fuhr durch die Nacht. Jackon fürchtete sich so sehr, dass er keinen Ton herausbrachte.
    »Wir bringen dich zur Lady«, sagte die Frau. »Wenn du vor ihr stehst, vergiss, dass du eine Kanalratte bist, und benimm dich wie ein zivilisierter Mensch. Verstanden?«
    »Welche Lady?«, brachte er leise hervor.
    »Nimmst du mich auf den Arm?«, schnarrte die Frau.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Lady Sarka, wer denn sonst?«
    Jackon war, als drückten eiskalte Hände seine Kehle zusammen. Schlimm genug, dass er mit diesen beiden unheimlichen Gestalten in der Kutsche sitzen musste. Dass er nun auch noch der gefürchteten Herrscherin von Bradost gegenübertreten sollte, brachte ihn vor Entsetzen schier um den Verstand.
    Warum, bei der Gnade des Himmels? Er war doch nur ein Schlammtaucher und hatte nichts verbrochen. Was konnte jemand wie Lady Sarka von ihm wollen?
    Die weitere Fahrt verbrachte er wie in Trance. Die Kutsche rumpelte über kopfsteingepflasterte Straßen, während der Regen auf das Dach trommelte. Gelegentlich schälte sich ein Gebäude aus der Finsternis, nur um im nächsten Moment wieder zu verschwinden. Jackon hatte nicht die geringste Ahnung,

Weitere Kostenlose Bücher