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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Erdgeschoss, an den ihre Schlafkammern und die kleine Küche grenzten, herrschte ein fürchterliches Durcheinander. In einer Ecke stapelten sich leere Aetherfässer, Kisten und Blitzbehälter aus Rauchglas; in einer
anderen stand ein Tisch, der fast gänzlich unter Papierbergen verschwand. Liam bemühte sich nach Kräften, hin und wieder etwas Ordnung zu schaffen, aber sein Vater war ihm in dieser Hinsicht keine große Hilfe.
    Und auch in jeder anderen Hinsicht nicht. Nach dem Tod von Liams Mutter hatte er sich sehr verändert. Sie war vor anderthalb Jahren ums Leben gekommen, als die Unruhen begannen; ein Kavalleriepferd hatte sie niedergetrampelt. Seitdem wurde er immer verschlossener, vernachlässigte seine Arbeit und blieb manchmal ganze Nächte lang fort, um weiß Gott was zu treiben. Auch Liam vermisste seine Mutter. Doch irgendwer musste sich schließlich darum kümmern, dass das Geschäft weiterlief. Obwohl er mit seinen siebzehn Jahren gewiss der jüngste Blitzhändler von ganz Bradost war.
    Wieder rollte Donner über die Stadt, deutlich lauter diesmal. Liam schnappte sich ein Aetherfass, eilte die Stufen hinauf und entzündete die Gaslampe, die am oberen Treppenende bereitstand. Fahles Licht erfüllte die eiserne Kuppel. Liam entdeckte gleich zwei neue Rostflecken. Noch etwas, um das er sich bei Gelegenheit kümmern musste.
    Sein Vater hatte das Teleskop, die Armillarsphäre und sämtliche Gerätschaften, die man normalerweise in einem Observatorium fand, vor vielen Jahren ausgebaut und durch eine andere Apparatur ersetzt, eine mannsgroße Röhre aus Rauchglas mit je einem Schwungrad aus Messing an beiden Enden. Liam schob das Aetherfass in die dafür vorgesehene Öffnung und legte einen Hebel um. Die beiden Schwungräder begannen sich zu drehen, als unsichtbarer, geruchloser Aether durch die Rohre der Apparatur strömte.
    Der Blitzfänger erwachte zum Leben.
    Liam hastete zur anderen Seite des kreisrunden Raums und betätigte eine Kurbel. Zahnräder und Kettenzüge setzten sich ratternd in Bewegung. Rost rieselte herab, während sich ein
Segment der Kuppel öffnete und den Blick auf den Himmel freigab.
    Die Sonne war nicht mehr zu sehen. Wolken reichten von Karst bis zum Meer und hingen so tief, dass die Spitze des nahen Phönixturms sie beinahe zu berühren schien.
    Im Innern der grauschwarzen Masse brodelte und flackerte es. Liam lächelte voller Vorfreude. Ihm winkte eine reiche Ausbeute.
    Er drehte eine andere Kurbel und fuhr den kupfernen Mast aus. Immer wenn ein Teilstück einrastete, klappten Querstangen von unterschiedlicher Länge auf, bis der Mast schließlich viele Fuß hoch in den Himmel ragte: ein bizarres Gebilde, das im Wind schwankte.
    Liam schloss die Vorbereitungen keine Minute zu früh ab. Kaum hatte der Mast seine volle Länge erreicht, schlug der Blitz ein.
    Blendendes Licht überstrahlte die Kuppel, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen. Liam taumelte vor Schreck zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Elmsfeuer loderte an den Mastspitzen und überzog Boden, Wände und Apparaturen mit einem gespenstischen blauen Glühen. Der Blitz zuckte in der Glasröhre wie eine Heerschar wilder Luftgeister und knisterte wütend.
    Liam rappelte sich auf und legte einen Hebel um. Der Blitz wurde in einen der Rauchglasbehälter im Sockel der Apparatur gesaugt und bildete immer neue Verästelungen, während er vergeblich gegen sein Gefängnis ankämpfte.
    Flackernder Lichtschein lag auf Liams Gesicht, als er seinen Fang betrachtete. Ein guter Blitz, der ihm in der Aetherbörse mindestens zehn Schilling einbrachte. Wenn es so weiterging, konnte er heute Abend eine ansehnliche Summe verdienen.
    Er kam nicht zum Ausruhen, denn das Gewitter brach nun mit ganzer Macht los. Er zog eine Brille mit abgedunkelten
Gläsern auf und hielt sich neben der Apparatur bereit. Trotz des eingeölten Ledermantels, den er sich überstreifte, war er binnen kurzer Zeit klatschnass. Regen peitschte über die Dächer. Rostige Tropfen rannen an der Innenseite der Kuppel herab, das Wasser bildete Pfützen auf dem Steinboden und gurgelte in den Öffnungen der Abflussrohre.
    Vor ihm erstreckte sich Scotia, Häuser und Giebel nicht mehr als grauschwarze Konturen hinter den Regenschleiern. Überall schlugen Blitze ein, in Erker, Kamine und Glockentürme, und dann flackerten für einen kurzen Moment Gitterfenster, Dachschindeln und Wasserspeier auf. Viele Gebäude besaßen Blitzableiter, doch bei Weitem nicht alle. Ein

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