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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Garküche etwas Brot und gekochtes Kalbfleisch kaufte. Es reichte kaum, um satt zu werden, aber wenigstens bekam er etwas zwischen die Zähne.
    Und wie er aussah: An seinem Hosenbein klebte Blut, an seinem Wams der Schmutz der unterirdischen Tunnel, an den Stiefeln Rattenkot. Er wollte nicht wissen, wie er stank - vermutlich wie eine wandelnde Sickergrube. Und so sollte er dem berühmtesten Erfinder der Welt unter die Augen treten? Er konnte von Glück sagen, wenn Quindal ihn nicht für einen bettelnden Schlammtaucher hielt und auf der Stelle fortjagte.
    Als er den leeren Napf zurückgeben wollte, schlug ihm der Verkäufer hinter der Durchreiche plötzlich den Laden vor der Nase zu. Die Arbeiter vor der Garküche ließen ihr Essen fallen und suchten hastig das Weite. Verwundert wandte Liam sich um und sah vier Spiegelmänner herbeieilen. Von jähem Entsetzen durchzuckt, verbarg er sich hinter der Hausecke. Bitte lass sie mich nicht gesehen haben , betete er, doch die Spiegelmänner hatten es nicht auf ihn abgesehen. Sie blieben vor der Tür eines heruntergekommenen Stadthauses stehen. Mit wild pochendem Herzen beobachtete er, wie die Maskierten anklopften. Als niemand öffnete, zertrümmerten sie die Tür mit ihren Rabenschnäbeln und drangen ein.
    Kurz darauf erklang Geschrei. Die Spiegelmänner zerrten zwei Männer mit blutüberströmten Gesichtern aus dem Haus
und warfen sie in einen Gefangenenwagen, der am Anfang der Gasse vorgefahren war.
    Liam schloss die Augen, als Bilder in ihm aufstiegen, Erinnerungen an seinen Vater, der zur Treppe hastete und zusammenbrach, getroffen von Corvas’ Messer. Tränen rannen ihm über die Wangen. Überall in der Stadt geschah dasselbe, Tag für Tag. Er würde niemals sicher sein, wohin er auch ging. Niemand war das, in Scotia nicht, nirgendwo.
    Er blieb in seinem Versteck, bis der Gefangenenwagen fort war, und noch lange danach. Erst als der Verkäufer wieder die Läden öffnete und sich Leute vor der Garküche einfanden, brachte er den Mut auf, den Winkel zu verlassen.
    Quindals Werkstatt lag mitten im Kessel, nur ein paar Straßen vom Chymischen Weg entfernt, den seltsamen Gerüchen nach zu schließen. Liam ging zum offenen Tor der verwinkelten Halle, wo ihn ohrenbetäubender Lärm empfing.
    Hier und da brannte eine Gaslampe und brachte etwas Licht in das Halbdunkel. Unter der Decke aus Stahlträgern hing der Mittelteil eines Luftschiffes; Mechaniker kletterten in dem Gerippe herum und arbeiteten an den Motorgondeln. Riesige Zahnräder drehten sich knirschend, als ein Lastkran einen mannsgroßen Propeller hochhob. Rohre verliefen an den Wänden, versorgten verschiedene Maschinen mit Aether und sonderten dabei zischend goldenen Dampf ab. Männer trugen Kupferfässer, Rauchglasbehälter und Bauteile herum, andere rückten Apparaten, deren Funktion sich Liam nicht erschloss, mit Schraubenschlüsseln zu Leibe. Irgendwo im Zwielicht zuckte ein Blitz zur Hallendecke, gefolgt von einem Funkenregen und lautstarken Flüchen.
    Liam sprach eine Maschinistin in einem ölverschmierten Kittel an. »Ich suche Nestor Quindal.«
    »Er ist drüben in Halle zwei. Aber sei vorsichtig; sie haben gerade den Koloss mit Aether gefüttert.«

    Er ging in die Richtung, die die Frau ihm wies, und kam in einen kleineren Raum, wo Kisten voller seltsam geformter Glasröhren herumstanden. Ein Mann entnahm einem Erdloch einen Klumpen geschmolzenen Glases und blies ihn mit einer Röhre zu einem glühenden Ball auf, den er mit einer Art Schere zerteilte. Dem Raum schloss sich ein breiter Korridor an, in dem Liam ein saurer Geruch entgegenschlug. In einer mannshohen Röhre schwebte eine Kreatur, die mit ihrem pulsierenden Schirm und den durchsichtigen Fangarmen einer Qualle ähnelte. Er hatte von diesen Tieren gehört: Es war eine Zitteranemone, ein Wesen, das in riesigen Schwärmen über den Himmel zog und sich von Blitzen ernährte. Eine zweite Zitteranemone lag auf einem Steintisch, wo sie von zwei Frauen in lederner Schutzkleidung in Teile geschnitten wurde. Die Tentakel stopften sie in Gläser; elektrische Entladungen schlugen zuckend gegen die Becherwände.
    Liam stieg eine Treppe hinauf und gelangte in eine Halle, die der ersten glich, nur dass dort kein Luftschiff hing. Augenblicklich begriff er, was die Maschinistin mit »Koloss« gemeint hatte: Ein halbes Dutzend Leute umringten ein Geschöpf, das ganz aus Kupfer bestand. Es überragte selbst den größten Mann um einen Fuß und besaß zwei wuchtige

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