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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Wort?«
    »Mein letztes Wort.«
    »Eigensinnig bis zum Ende, was?«
    »Hast du etwas anderes erwartet?«
    Der Harlekin lächelte wieder. »Falls du es dir anders überlegst - du weißt, wo du uns findest. Viel Glück, alter Dieb.« Dann stieg er die Treppe herunter und durchquerte die Halle, wo die Alben eine Gasse für ihn bildeten.
    Wind kam auf und wirbelte Luciens Haar durcheinander, als mitten im Saal ein Riss aufklaffte. Für einen Augenblick sah er Bäume, wo Mauern und Säulen hätten sein sollen, Lichtungen, umgeben von undurchdringlichem Dickicht, Sterne, die im Blätterwerk aufblitzten - und dann verschwanden die
Alben. Der Riss schloss sich, der Wind flaute ab, und Lucien stand allein in dem riesigen Palast mit seinen weiten Hallen und endlosen Fluren.
    »Viel Glück«, murmelte er leise.
     
    Später in der Nacht wanderte er gedankenverloren durch das Labyrinth, das Vergnügungsviertel Bradosts. Niemand konnte ihn sehen, obwohl sich zu dieser Stunde Scharen von Menschen durch die Straßen treiben ließen. Wie alle Schattenwesen konnte er unauffällig sein, wenn er wollte, wie ein alter Kratzer an der Wand, den man irgendwann nicht mehr wahrnimmt. Nur Betrunkene und Opiumsüchtige bemerkten ihn dann noch, weshalb er um Tavernen und Spelunken einen weiten Bogen machte.
    Adlige und Tagelöhner begegneten ihm auf seinem Weg durch Gassen und Höfe, Künstler, Jünglinge und gelangweilte Damen, alle auf der Suche nach ein wenig Zerstreuung, bevor die Sonne aufging und sie in das triste Einerlei ihres Lebens zurückkehren mussten. Ausgelassene Musik drang aus Varietés und Kaschemmen mit Buntglasscheiben. Der Rauch der Opiumpfeifen vermengte sich mit dem Geruch von Ale, Schnaps und billigen Duftwassern. Huren und Wunderheiler boten in den Torbögen ihre Dienste feil. An jeder Ecke warben Zirkusleute für das neuste Monstrositätenkabinett oder führten Taschenspieler, Gaukler und Feuerspucker ihre Kunststücke auf.
    Lucien dachte an die Worte des Harlekins. Sieh dich doch um: überall Eisen, Städte und Lärm. Die Welt gehört jetzt den Menschen und ihren Maschinen. Darin ist kein Platz mehr für Magie und Geheimnisse.
    Vielleicht, vielleicht auch nicht. Auf eine seltsame Weise liebte er diese Stadt und ihre Bewohner, trotz des Lärms und des Gestanks, den sie verursachten, trotz ihrer Dummheit und
der Leidenschaften, die sie antrieben und die den Alben so fremd waren.
    Hier wollte er leben, nirgendwo sonst. Dennoch fühlte er sich einsam - so einsam wie noch nie zuvor in den unzähligen Jahrhunderten seiner Existenz.

9
    Die Herzkammer
    R auch stieg aus einem Wald von Schloten und Kaminen auf und vereinte sich über dem Viertel zu einer undurchdringlichen Glocke. Ein Luftschiff durchstieß den Qualm und beschrieb mit dröhnenden Motoren einen Bogen über den Bleidächern der Manufakturen, bevor es am Ankermast einer Kanonengießerei andockte. Liam beobachtete, wie es über dem Gebäude stand, während Männer auf der Plattform erschienen, Kisten aus der Gondel auffingen und zur Rampe trugen.
    Kessel wurde dieser Stadtteil genannt, denn er lag in einer Senke zwischen drei Hügeln, im Süden begrenzt vom Fluss, eine einzige Ansammlung von Schmieden, Gießereien und Schmelzöfen. Liam kannte sich einigermaßen in den Gassen und Straßen aus, denn er war ein paar Mal mit seinem Vater hier gewesen, um Blitze zu verkaufen. Wo Nestor Quindals Werkstatt lag, wusste er jedoch nur vom Hörensagen. Müde machte er sich auf den Weg.
    Rauch drang aus Fenstern und vergitterten Schächten. Ölige Abwässer strömten offene Kanäle entlang, die man auf wackeligen Planken überqueren musste. Der Lärm, der ihm aus den Hallen und Höfen der Fabriken entgegenschlug, war unbeschreiblich: Überall dröhnten und wummerten aetherbetriebene Maschinen, bizarre Ungetüme aus Stahl, Messing und Kupfer. Arbeiter brüllten, geschmolzener Stahl füllte zischend die Gussformen, glühendes Eisen wurde zurechtgehämmert.
Und unaufhörlich regnete es Asche. Anfangs wischte sich Liam die Flocken noch aus dem Gesicht, doch bald schon gab er es auf. Er hatte die Nacht in den Abwasserkanälen Scotias verbracht und kaum geschlafen; er war so erschöpft, dass er sich nur noch mit purer Willenskraft auf den Beinen hielt. Außerdem knurrte sein Magen.
    In seiner Verwirrung hatte er vergessen, aus der Sternwarte etwas zu essen oder Geld mitzunehmen. Glücklicherweise fand er in seiner Hosentasche noch einen Viertelschilling, von dem er sich in einer

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