Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
betraf.
»Na schön. Deine Sache«, sagte Lucien barsch. »Reden wir lieber über die Art und Weise, wie du mich herbeordert hast.« Er warf den Moskito. Das Kupferinsekt schaffte es nicht rechtzeitig, seine Flügel zu entfalten, und fiel Aziel vor die Füße, wo es ungeschickt versuchte, seine sechs Beine zu sortieren.
»Ein Traum ist der einfachste Weg, mit dir in Verbindung zu treten«, erwiderte Aziel.
»Ich meine die verdammten Ghule in meinem Hotel!«
»In der Vergangenheit hat sich deine Unzuverlässigkeit als sehr zeitraubend erwiesen. Ich bin in Eile. Deshalb musste ich meiner Nachricht etwas Nachdruck verleihen.«
»Ich bin nicht dein Sklave!«, fauchte Lucien. »Und was fällt dir ein, unsere Abmachung aufzukündigen?«
»Sie beruht auf Voraussetzungen, die nicht mehr bestehen.«
Luciens Schädel tat zu weh, um sich noch länger zu streiten. Er schluckte eine zornige Erwiderung herunter und wünschte, es gäbe hier irgendwo ein Becken mit kaltem Wasser, in das er seinen Kopf tauchen könnte.
Und im Grunde hatte Aziel nicht unrecht. Früher war Lucien
seine Verbindung zur Welt der Menschen gewesen. Im Gegenzug hatte Aziel den Bann, der auf seinem Untertanen lag, gelockert. Nun waren die Alben fort, und Luciens Ächtung besaß keine Bedeutung mehr. Zeit, neu zu verhandeln.
»Also gut«, sagte Lucien müde. »Vergessen wir die Ghule. Versprich mir nur, das nächste Mal auf solche Maßnahmen zu verzichten.«
Aziel nickte.
Lucien ließ sich in einen Sessel fallen, aus dem das Innenfutter hervorquoll. »Gibt es hier Wasser? Oder Kaffee?«
Aziel nahm ihm gegenüber Platz und ignorierte seine Frage. »Du warst dabei, als unser Volk verschwunden ist, richtig?«
»Ja.«
»Hast du mit dem Harlekin gesprochen?«
»Er hat sich nach dir erkundigt«, berichtete Lucien. »Er hoffte, ihr hättet euren Zwist beilegen und gemeinsam fortgehen können.«
»Dieser Hund«, knurrte Aziel. »Nach allem, was er angerichtet hat.«
»Mit einem hat er recht: Was hält dich noch hier?«
»Irgendjemand muss auf die Träume aufpassen.«
»Das ist nicht mehr deine Aufgabe.«
»Es wird so lange meine Aufgabe bleiben, bis ein anderer sie auf sich nimmt. Dieser pflichtvergessene Bastard von Harlekin konnte ja nicht schnell genug verschwinden.«
»Du bist allein, Aziel. Wie willst du das schaffen?«
»Ich muss. Ganz einfach.«
Lucien schwieg nachdenklich. Jahrtausendelang hatten die Alben unter den wachsamen Augen ihres Herrschers die Träume gehütet, sie geordnet und dafür gesorgt, dass sie im Gleichgewicht blieben und nichts ihren Fluss störte. Ohne die Alben war Aziel dieser Aufgabe unmöglich gewachsen. Ein paar Wochen vielleicht, aber nicht länger. Und was dann geschah,
wusste niemand. »Weswegen hast du mich gerufen?«, fragte Lucien schließlich.
»Deswegen.« Aziel legte Jernigans Lampe auf den Tisch - besser gesagt, das, was davon übrig war, seit der Harlekin sie gezündet hatte: verbogenes Kupfer und Glassplitter.
Lucien betrachtete die Bruchstücke. Eine gemeinere Waffe hätte der Harlekin nicht finden können. Alben hassten grelles Licht. Und das Licht von Jernigans Lampe war heller als die Sonne. So hell, dass es keinen Schatten warf. Ihn schauderte.
»Der Harlekin ist nicht aus eigener Kraft freigekommen«, sagte Aziel. »Jemand muss ihm geholfen haben.«
»Derselbe, der ihm die Lampe gegeben hat?«
»Vermutlich.«
»Wer sollte so etwas tun?«
»Deshalb bist du hier: um dies herauszufinden.«
Lucien konnte nicht behaupten, dass ihn Aziels Bitte sonderlich überraschte. »Wozu? Was geschehen ist, ist geschehen. Daran ändern auch deine Nachforschungen nichts.«
»Wir werden sehen«, erwiderte Aziel. »Hilfst du mir?«
»Was bietest du mir dafür?«
»Gar nichts.«
Lucien hustete. »Du hast mir schon bessere Angebote gemacht.«
Aziel packte ihn am Arm. »Willst du in einer Welt ohne Alben leben, Lucien? Willst du für alle Zeit allein sein?«
Lucien schwieg. Das Verschwinden der Alben machte ihm in der Tat zu schaffen, mochte er sich noch so sehr einreden, dass ihre Angelegenheiten ihn schon lange nicht mehr betrafen. Aziel war das offenbar nicht entgangen.
»Wir fangen mit dem Kerker des Harlekins an«, sagte der einstige König, und in seinen Augen erschien ein Glanz, der an seine alte Macht gemahnte. »Du bist doch bereit für einen Streifzug ins Reich des Madenkönigs?«
11
Das geheime Zimmer
J ackon hob den Brocken mit beiden Händen hoch und warf ihn zu den anderen. Die
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