Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Schubkarre war schon fast voll, obwohl er gerade einmal ein Drittel der abgesteckten Fläche umgegraben hatte. Offenbar bestand der Boden in diesem Teil des Gartens hauptsächlich aus Steinen, was Ibbott Hume aber nicht davon abhielt, hier ein Blumenbeet anlegen zu wollen. Mit zusammengebissenen Zähnen griff Jackon zur Schaufel und stieß sie in die Erde. Ihm stand ein anstrengender Nachmittag bevor - und ein heißer obendrein, denn am Himmel war nach wie vor nicht die kleinste Wolke zu sehen. Der Schweiß lief ihm in Strömen über Gesicht und Brust.
Hume goss währenddessen die Rosenhecke. Der Palastgärtner war ein rundlicher Mann mit gewaltigen Tränensäcken und ein paar vereinzelten Haaren auf dem Schädel. Stets trug er eine speckige Lederschürze, aus der die Griffe seiner Messer und Scheren ragten. Gemütliche Gleichgültigkeit schien die einzige Regung zu sein, zu der er fähig war, weshalb Jackon nur vermuten konnte, was Hume von ihm hielt. Einige Anzeichen sprachen jedoch dafür, dass sich der Gärtner über den Umstand freute, einen Helfer bekommen zu haben: Er behandelte Jackon einigermaßen freundlich und bemühte sich, seinen neuen Gehilfen in die Geheimnisse der Gartenarbeit einzuweihen. Dies tat er, indem er ununterbrochen redete: von sämtlichen Gewächsen des Gartens; von der Art und Weise, wie
man sie gedeihen ließ; von den Schädlingen, die ihm tagein, tagaus zu schaffen machten. Anfangs hatte Jackon noch versucht, Humes Ausführungen zu folgen, im ehrlichen Bestreben zu lernen. Doch bald schon hatte er erschöpft aufgegeben. Hume war offenbar nicht an Zuhörer gewöhnt und erzählte so monoton und umständlich, dass selbst die interessanteste Information wie ein starkes Betäubungsmittel wirkte. Inzwischen beschränkte sich Jackon darauf, hin und wieder »Ja« und »Ach, tatsächlich?« zu murmeln und währenddessen seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.
Schließlich gab es einiges, über das er nachdenken musste. Beispielsweise die Ausbildung, von der Lady Sarka gesprochen hatte. Er wusste immer noch nicht, was er sich darunter vorstellen musste. Wie bildete man einen Traumwanderer aus? Umbra konnte er nicht fragen, denn er hatte die Leibwächterin nicht mehr gesehen, seit sie gestern vor dem Heckenlabyrinth so plötzlich verschwunden war.
Als die Schubkarre voll war, fuhr er sie zur Palastmauer, wo er die Steine in eine Grube schüttete. Arme und Rücken taten ihm weh. Die Arbeit im Garten war härter, als er gedacht hatte. Jackon hatte den Verdacht, dass Hume ihm hauptsächlich die Aufgaben übertrug, die ihm selbst zu anstrengend waren. Während der Gärtner Blumen goss, Unkraut jätete und Hecken schnitt, musste er Steine ausgraben, Gräben schaufeln und Baumstämme zersägen. Jackon machte das nichts aus; im Grunde gefiel ihm diese Arbeit sogar. Er war den ganzen Tag an der frischen Luft und konnte so schnell oder langsam arbeiten, wie er wollte, und in der vergangenen Nacht hatte er so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr. Außerdem war alles besser, als in einem dunklen, stinkenden Abwasserkanal zu hocken und das Fangnetz zu bewachen.
Wenn nur die Hitze nicht wäre … Er war einfach nicht daran gewöhnt, in der Sonne zu arbeiten. Jackon machte eine Pause,
zog sich in den Schatten unter einem Apfelbaum zurück und trank etwas Wasser. Den Rest des Flascheninhalts schüttete er sich über den Kopf. Anschließend fühlte er sich besser und machte sich daran, den Rest des Beetes umzugraben.
Er arbeitete bis zum Abend. Nachdem er eine weitere Schubkarrenladung weggebracht hatte, rammte er seine Schaufel versuchsweise an verschiedenen Stellen in die lockere Erde. Nirgendwo stieß der Spaten auf Widerstand. Offenbar hatte er sämtliche Steine ausgegraben.
»Ich bin fertig«, meldete er Hume.
Der Gärtner unterbrach seinen Monolog über Blattläuse und die Bekämpfung derselben. »Gut«, sagte er, nachdem er das Beet in Augenschein genommen hatte. »Bring das Werkzeug zum Schuppen, dann ist Schluss für heute.«
Jackon legte Schaufel und Hacke in die Karre und schob sie zu dem Bretterverschlag, bevor er zum Gesindeflügel schlurfte. Abendessen gab es frühestens in einer Stunde. Er war zu müde, um auf die anderen Bediensteten zu warten, also holte er sich etwas Brot und Käse aus der Vorratskammer des Gemeinschaftsraums. Nachdem er gegessen hatte, zog er sich in seine Unterkunft zurück, wo er sich mitsamt den Kleidern ins Bett fallen ließ. Waschen konnte er sich später, wenn
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