Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
Tasse Kaffee ein.
»Kannst du mir sagen, weswegen ich hier bin?«, fragte Jackon.
Der Diener öffnete den Mund. Er hatte keine Zunge mehr.
Jackon zuckte mit den Schultern und trank von seinem Kaffee, der seltsamerweise wie Orangensaft schmeckte.
Er erwachte auf der Couch. Das Kissen unter seiner Wange war feucht von seinem Speichel. Die Lampen verströmten trübes Licht. Irgendetwas sagte ihm, dass draußen der Morgen dämmerte, obwohl kein Tageslicht in das Zimmer fiel.
Benommen setzte er sich auf.
»Hast du die Tür gefunden?«, fragte Lady Sarka, die aus den Schatten trat.
Es dauerte einen Augenblick, bis er den Sinn ihrer Frage erfasste. »Ja … nein. Sie war wieder weg, bevor ich sie öffnen konnte.«
Sie setzte sich in den Lehnstuhl. »Aber du hast sie gesehen.«
»Nur kurz.« Er konnte sich kaum noch daran erinnern. Auch der Rest des Traumes verblasste zusehends. Er wusste nur noch, dass es ein überaus verrückter und beklemmender Traum gewesen war. »Es tut mir leid«, fügte er hinzu.
Sie lächelte aufmunternd. »Für den Anfang bist du weit gekommen.«
»Für den Anfang?«
»Morgen Abend kommst du wieder hierher. Und übermorgen auch. So lange, bis du die Tür auf Anhieb findest.«
»Was, wenn ich es niemals schaffe?«
»Das wird nicht geschehen. Vertraue deinen Kräften. Du musst lediglich versuchen, dich an deine Aufgabe zu erinnern, während du schläfst.«
»Aber die Träume sind so verwirrend. Sie lenken mich immerzu ab.«
»Hab Geduld. Du wirst lernen, dich in deinem Seelenhaus zurechtzufinden.«
»Ich habe kein Seelenhaus gesehen.«
Anstelle einer Antwort erhob sich Lady Sarka. »Genug für heute, Jackon. Warte hier auf Umbra. Sie bringt dich zurück zu deiner Kammer.« Dann wandte sie sich ab und verschwand im Halbdunkel jenseits des Lampenscheins.
Nach einer Weile stand er auf. Er drehte die Lampe heller und warf einen verstohlenen Blick hinter den Wandschirm, der den hinteren Teil des Zimmers abtrennte.
Holzgetäfelte Wände, ein Tischchen mit einem Grammofon, eine Vitrine mit Kristallgläsern - aber nirgendwo ein Ausgang.
12
Audienz bei Lady Sarka
R auch zog an den Fenstern von Quindals Droschke vorbei, während das Gefährt durch die Gassen des Kessels rumpelte.
»Ab jetzt lautet dein Nachname Hugnall«, sagte der Erfinder. »Ich habe entfernte Verwandte in Torle, die so heißen. Du hast deine Eltern beim letzten Ausbruch der Cholera verloren. Außer mir hast du keine Angehörigen, also bist du mit dem Luftschiff nach Bradost gekommen. Wiederhole das.«
Liam tat, was Quindal von ihm verlangte. Hugnall. Er sagte sich diesen Namen mehrmals stumm vor, damit er nicht zögerte, wenn man ihn danach fragte.
Die Droschke rollte durch ein Schlagloch, und der Stoß fuhr ihm unangenehm in den Magen. Seine Aufregung wurde von Minute zu Minute schlimmer. Er war tatsächlich im Begriff, bei Lady Sarka vorzusprechen und sie um eine Stelle in ihrem Palast zu bitten - er musste verrückt geworden sein. Dabei war ihm dieser Plan gestern noch vernünftig erschienen.
Wenigstens sah er inzwischen wieder wie ein normaler Mensch aus. In der Kammer in Quindals Werkstatt, wo er die Nacht verbracht hatte, gab es eine Waschgelegenheit. Der Erfinder hatte ihm außerdem neue Kleider und Schuhe besorgt, denn so schmutzig, wie er gewesen war, hätte er der Lady unmöglich unter die Augen treten können.
»Überlass mir das Reden«, fuhr Quindal fort. »Sprich nur,
wenn man dich dazu auffordert. Lady Sarka ist sehr misstrauisch. Möglicherweise wird sie versuchen, mehr über dich herauszufinden. Überleg dir also genau, was du sagst.«
Liam war nicht auf den Mund gefallen. Als Blitzhändler musste er sich tagtäglich mit den Aethermaklern herumschlagen, jenen Meistern in der Kunst des Feilschens. Wenn es sein musste, konnte er lügen und schauspielern, was das Zeug hielt. Aber konnte er es auch gut genug, um die mächtige und gerissene Herrscherin von Bradost hinters Licht zu führen?
»Das wird nicht einfach«, sagte der Erfinder, dem die Anspannung anzusehen war. »Und selbst wenn wir es schaffen, fangen die Schwierigkeiten erst an. Im Palast bist du auf dich gestellt. Wenn man dich erwischt, kann und werde ich nichts für dich tun. Ich werde behaupten, all das sei deine Idee gewesen, und ich hätte davon nicht das Geringste gewusst.«
Liam nickte. Dies war die Bedingung, unter der Quindal eingewilligt hatte, ihm zu helfen. Ob das dem Erfinder etwas nutzte, wenn man Liam auf die Schliche
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