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Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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wobei sie eine feuchte Spur auf dem Kopfsteinpflaster hinterließen. Nacheinander glitten sie durch die Tür eines Seelenhauses, ohne sie zu öffnen. Sie krochen einfach durch das Holz, als wäre es nicht da.
    Jackon hörte ein Summen und blickte auf. Ein riesiges Insekt schwirrte durch die Luft. Seine vier Flügel bewegten sich so schnell, dass man sie kaum erkennen konnte; mit seinen langen, behaarten Beinen umklammerte es einen Tropfen grau schimmernden Materials. Es flog zu einem Seelenhaus, änderte kurz vorher die Richtung und kam auf ihn zu. Mit vibrierenden Flügeln schwebte es vor ihm in der Luft und streckte eine Art Rüssel nach seinem Gesicht aus.
    Entsetzen überkam Jackon. Er wich zurück, stolperte und fiel zu Boden. Das Insekt landete auf seiner Brust.
    Schreiend wachte er auf. Er schlug mit den Armen nach dem Untier, bevor er feststellte, dass es gar nicht mehr da war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Lady Sarka.
    Jackon begriff, wo er sich befand. Benommen setzte er sich auf.
    »Hier, trink das.«
    Mit zitternden Händen griff er nach dem Becher. Das kühle Wasser tat ihm gut.
    »Ich habe die Tür geöffnet«, sagte er mit belegter Stimme.
    Die Lady lächelte. »Ich wusste, du würdest es schaffen.«
    Es fiel Jackon zusehends leichter, sich nach dem Aufwachen an seine Träume zu erinnern. »Ich habe die Seelenhäuser gesehen, von denen Ihr gesprochen habt«, berichtete er, als das Grauen nachließ. »Auf der Straße treiben sich merkwürdige Geschöpfe herum. Eines hat versucht, mich anzugreifen.«
    »Wie sah es aus?«
    »Wie ein riesiger Moskito. Die anderen wie Schwämme.«
    »Das waren nur Boten und Sammler. Sie sind harmlos. Wenn sie dich wieder belästigen, verjagst du sie einfach.«

    Jackon nahm noch einen Schluck. Er verspürte nicht das geringste Verlangen, zu dieser seltsamen Stadt zurückzukehren. »Ist meine Ausbildung jetzt beendet?«, fragte er matt.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Nun ja, ich habe die Tür geöffnet.«
    Die Lady ließ ein glockenhelles Lachen erklingen. »Und du meinst, das macht dich bereits zu einem Traumwanderer? Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen, Jackon. Deine Ausbildung fängt jetzt erst an.«

17
    Blut für Bradost
    L iam machte einen Zug, nahm einen Stein vom Brett und legte ihn zu den anderen in die Kiste. Auffordernd blickte er Jackon an.
    Jackon betrachtete das achteckige Spielbrett mit den braunen, weißen und gelben Steinen in verschiedenen Größen und versuchte, sich an die Regeln dieses Spiels zu erinnern. Es waren so viele, dass er die meisten schon wieder vergessen hatte. Unsicher zog er einen Stein.
    »Das ist eine Harpyie«, sagte Liam. »Sie kann drei Felder springen.«
    »So?«
    »Ja. Aber meinen Stein kann sie nicht schlagen. Silber schlägt Kupfer, nicht umgekehrt.«
    »Tut mir leid.«
    »Macht nichts. Wir fangen einfach von vorne an, und ich erkläre es dir noch einmal, in Ordnung?«
    Jackon hörte aufmerksam zu, wie Liam ihm die Regeln erläuterte. Beim nächsten Anlauf verlor er haushoch, aber wenigstens wusste er jetzt, wie man die verschiedenen Steine zog. Beim dritten Spiel gelang es ihm beinahe, Liams Basilisk zu schlagen, doch Liam drehte die Partie im letzten Moment, fegte all seine Kobolde vom Brett und holte sich den Stein der Weisen. Trotz der Niederlage begann das Spiel Jackon Spaß zu machen.

    »Noch eins?«
    »Gern.«
    Sie saßen im Palastgarten, unter den ausladenden Ästen eines Apfelbaums, wo die Hitze einigermaßen erträglich war. Das Brett lag auf einer umgedrehten Weinkiste. Ibbott Hume hatte ihnen den Nachmittag freigegeben, denn für den frühen Abend stand ein offizieller Empfang an, bei dem sie nicht gebraucht wurden.
    Nachdem sie die Partie zu Ende gespielt hatten, stand Liam auf. »Genug für heute. Ich muss los.«
    »Wohin?«
    »Zu meinem Großonkel. Ich habe versprochen, ihn zu besuchen. Wir sehen uns heute Abend.«
    Nachdem Liam gegangen war, legte Jackon das Spielbrett und die Steine in den Korb und genoss das Nichtstun. Die vergangenen Tage gehörten zu den schönsten seines Lebens. Seit ihrem unfreiwilligen Ausflug in die städtische Unterwelt erledigten er und Liam die Gartenarbeit nach Möglichkeit gemeinsam. In den Pausen saßen sie zusammen, redeten oder alberten im Heckenlabyrinth herum. Liam lehrte ihn die Brett-und Kartenspiele, die sie im Gemeinschaftsraum fanden, und hatte sogar angeboten, ihm Lesen und Schreiben beizubringen. Der Blonde war so viel gebildeter als er, dennoch fühlte sich Jackon in

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