Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
wissen. Er wünschte, sie hätten mit ihrem Streit gewartet, bis er gegangen war.
»Morgen bleibst du zu Hause«, sagte Quindal. »Ich habe einen neuen Hauslehrer gefunden. Er will dich kennenlernen.«
»Aber morgen muss ich Onkel Madalin im Wanderzirkus helfen.«
»Sag ihm ab.«
»Das geht nicht. Ich habe es ihm versprochen. Schon letzte Woche.«
»Dein Unterricht ist wichtiger als dieser Manuschunfug.«
»Manuschunfug?«, fauchte Vivana. »Wenn Mutter dich hören könnte!«
Mit verkniffener Miene wandte sich der Erfinder an Liam. »Entschuldigst du uns?«
»Natürlich«, erwiderte Liam und war erleichtert, als die beiden im Salon verschwanden und dort weiterstritten. Sie bemühten sich, leise zu sein, dennoch hörte er Wortfetzen wie »undankbar«, »nur das Beste für dich« und »nicht so aufsässig«. Der Streit endete, als Vivana rief: »Ich gehe morgen zu Onkel Madalin, und wenn du eine Million Hauslehrer einbestellst!«
Sie rauschte mit zornigem Gesicht an Liam vorbei. »Hat mich gefreut«, sagte er mit einem schiefen Lächeln, doch sie nahm keine Notiz von ihm. Kurz darauf knallte eine Tür.
Liam blies die Backen auf. Schon während seines kurzen Gesprächs mit Vivana hatte er den Eindruck gewonnen, dass ihr Verhältnis zu Quindal nicht gerade das beste war. Doch dass es so schlimm stand, hätte er nicht gedacht.
Er wartete darauf, dass Quindal wieder aus dem Salon kam. Als das nicht geschah, trat er zögernd ein.
»Ich muss mich für meine Tochter entschuldigen«, sagte der Wissenschaftler. »Sie ist mitunter ein wenig aufbrausend.«
»Warum haben Sie nicht gesagt, dass Sie Familie haben?«
»Du hast es doch auch so erfahren.« Quindals Gesicht verfinsterte sich, als er den Tatzelwurm unter der Anrichte entdeckte. »Verschwinde. Na los!«
Widerwillig kroch das Geschöpf aus dem Zimmer, nicht ohne den Erfinder dabei anzufauchen.
»Ein eigenartiges Tier«, meinte Liam, als das Schweigen unangenehm zu werden drohte.
»Grässlich, nicht wahr? Ich wünschte, Vivana wäre nicht so vernarrt in dieses Vieh.«
»Was ist das für ein Wanderzirkus, von dem sie gesprochen hat?«
»Herumhüpfende Artisten, Wahrsagerei und anderer Kinderkram. Geh zum Platz der Erztugenden, dort kannst du dir diesen Mummenschanz mit eigenen Augen ansehen. Aber deswegen bist du nicht hier, oder?«
»Nein.«
Quindal nickte knapp. »Ich habe ein Plätzchen, wo wir uns ungestört unterhalten können.« Zu Liams Verwunderung schraubte er einen Finger seiner mechanischen Hand ab. Darunter kam ein gezackter Metallstift zum Vorschein, den er in ein winziges Loch in der Holztäfelung schob und drehte.
Hinter sich hörte Liam ein Schaben von Holz auf Stein. Er wandte sich um und sah, dass ein Regalsegment nach innen schwang und den Blick auf einen Durchgang mit unverputzten Mauern freigab.
»Eine Geheimtür«, stellte er fest.
»Theatralisch, ich weiß«, erwiderte Quindal. »Aber gewisse Vorsichtsmaßnahmen sind in diesen Zeiten leider unumgänglich.«
Er schraubte den Finger wieder an und nahm eine Gaslampe, und sie betraten den Gang. Der Erfinder betätigte einen Hebel, woraufhin sich das Regalsegment wieder schloss. Dann schob er ein verschnörkeltes Gitter beiseite, hinter dem sich eine Kabine aus rötlichem Holz befand. Sie stiegen ein, Quindal fischte eine Aetherkapsel aus seiner Hosentasche und schlug sie an der Kabinenwand auf wie eine Nuss. Als der Aether auszuströmen begann, steckte er die Kapsel in die dafür vorgesehene Öffnung. Verborgene Mechanik setzte sich knirschend in Gang. Quindal schloss das Gitter und drückte einen der kupfernen Knöpfe. Langsam und ruckelnd fuhren sie nach unten.
Liam fiel etwas ein. Er schob seine Hand in die Hosentasche. »Hier. Der Haustürschlüssel.«
»Behalte ihn. Schließlich gehörst du gewissermaßen zur Familie.«
»Vivana hat mir übrigens gesagt, dass sie Bescheid weiß. Was meinen falschen Namen betrifft, meine ich.«
»Ich musste sie einweihen. Sie hätte dich sonst in Gefahr bringen können.«
»Werden Sie ihr auch den Rest erzählen?«
»Nein.« Quindal bedachte ihn mit einem warnenden Blick. »Und du auch nicht, verstanden? Es genügt, dass wir beide in der Sache drinstecken.«
Hinter dem Gitter zog die verwitterte und von Spinnweben
bedeckte Ziegelsteinwand des Schachtes vorbei. Nach zwanzig, dreißig Fuß tat sich schließlich ein Durchgang vor ihnen auf. Der Aufzug hielt an, und Quindal öffnete das Gitter.
Sie betraten einen unterirdischen Raum, in
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