Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer

Titel: Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
die Gasse, der Liam folgte. An der Hügelflanke wirkten die Gebäude wie aufeinandergestapelt, ein verschachteltes Wirrwarr aus Ziegelstein, Blech und Schiefer. Wo der Hang zu steil war, wich das Kopfsteinpflaster ausgetretenen Treppen, über denen sich die Fassaden der oberen Stockwerke beinahe berührten. Abwässer flossen in einer Rinne talwärts. Die Luft roch nach Asche und Rauch.
    Liam kam von Quindals Werkstatt. Der Erfinder wollte sich in seinem Haus mit ihm treffen, musste vorher jedoch seine Arbeit zu Ende bringen, weswegen er ihn aufgefordert hatte, schon vorauszugehen. Das Anwesen des Wissenschaftlers stand auf dem östlichen der drei Hügel, die sich rings um den Kessel erhoben. Der Weg dorthin war nicht sonderlich weit, aber anstrengend, da er ausnahmslos hangaufwärts führte.
    Liam bekam von seiner Umgebung kaum etwas mit, denn er dachte zum tausendsten Mal an seinen nächtlichen Streifzug durch den Palast. Ein paar Tage waren seitdem vergangen, doch das Grauen saß ihm immer noch in den Gliedern. Was immer er in der Alchymistenküche gesehen hatte, es schien ihm nicht gefolgt zu sein, als er Hals über Kopf geflohen war. Dennoch hatte es einen vollen Tag gedauert, bis er sich in seiner Kammer wieder sicher gefühlt hatte. Ob Hume und die anderen Bediensteten wussten, dass sich nachts seltsame Geschöpfe
in den Fluren herumtrieben? Der Vorfall machte Liam so sehr zu schaffen, dass er am liebsten Jackon davon erzählt hätte. Aber wie sollte er erklären, warum er sich mitten in der Nacht in einem Flügel des Palasts aufhielt, in dem er nichts zu suchen hatte? So sehr er Jackon mochte, erschien es ihm doch zu riskant, ihn ins Vertrauen zu ziehen.
    Wenn er dieses Ding wenigstens deutlicher gesehen hätte … Er hatte lediglich erkennen können, dass es eine Art Kopf, graue Haut und missgestaltete Gliedmaßen besaß. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, wenn er nur daran dachte.
    Auf der Hügelkuppe blieb er stehen. Vor ihm verlief eine Straße, die deutlich breiter und wohnlicher war als die Gassen des Kessels. Zwischen den alten Villen und Herrenhäusern erstreckten sich gepflegte Gärten, in denen Brunnen plätscherten. Obwohl die Sonne gerade erst untergegangen war, machten bereits die Lampenanzünder die Runde, und die Granitfassaden erstrahlten im Schein der Gaslaternen.
    Ein Schild verriet Liam, dass er sich in der richtigen Straße befand. Kurz darauf hatte er Quindals Haus gefunden. Gusseiserne Gitter befanden sich vor den Fenstern des zweistöckigen Anwesens. Das rußgraue Mauerwerk wirkte verwittert, einer der Erker erweckte den Anschein, als könnte er jeden Moment auf die Straße stürzen, so zerfallen sah er aus. Eine Kuppel aus Bleiglas krönte den Eckturm, und Liam konnte darin die eisernen Bögen eines drehbaren Teleskops erkennen: ein Observatorium, das schon lange nicht mehr benutzt wurde, den blinden Scheiben nach zu urteilen.
    Er holte den Schlüssel hervor, den er von Quindal bekommen hatte, schloss die Haustür auf und trat ein. Ein kurzer Flur führte zu einem runden Raum, der sich über beide Stockwerke erstreckte. Abendlicht fiel durch eine Kuppel aus Messingstreben und Glas. Im Boden aus Porphyr spiegelte sich schattenhaft seine Gestalt. Bücher, hunderte, wenn nicht sogar
tausende, füllten die Wandregale. Die Holztäfelungen glänzten rotbraun im Schein der Lampen. Es roch nach frischem Kaffee.
    Lampen? Kaffeeduft? Quindal hatte ihm nichts davon gesagt, dass er mit jemandem zusammenlebte. Vielleicht ein Diener?
    »Hallo?«, rief Liam.
    Keine Antwort. Vielleicht hatte der Erfinder lediglich vergessen, die Lampen zu löschen, bevor er aus dem Haus gegangen war. Obwohl er eigentlich nicht zerstreut wirkte.
    Liam beschloss, hier auf Quindal zu warten, und sah sich um. Gemälde hingen unterhalb der Kuppel, und obwohl er nicht viel von Kunst verstand, sah er auf den ersten Blick, dass es sich um Kostbarkeiten handelte. Eines stellte Tessarion dar, wie er mit hocherhobenem Stab der Todesgefahr trotzte und den Heiden von Varusia predigte. Ein anderes zeigte eine beklemmende Landschaft aus titanischen Ruinen, seltsamen Flüssen und schwarzen Felsenkämmen, in der sich Scharen grotesker Kreaturen tummelten: das Pandæmonium, Kerker und Heimstatt der Dämonen und verdammten Seelen.
    Im Boden befand sich ein Mosaik: eine Weltkarte aus abertausenden winzigen Steinen. Bradost lag genau in der Mitte, jenseits des Gebirges erstreckte sich Torle, das Land der tausend Flüsse sowie die

Weitere Kostenlose Bücher