Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
ein Schlammtaucher. Ein Niemand.
Wie in Trance ging er zum Palast zurück.
Der Kampf war längst zu Ende. Die unbeteiligten Gäste und Musiker hatten sich aus ihren Verstecken hervorgewagt.
Corvas befahl Jocelyn, die Leute wegzuschaffen, woraufhin die Diener die verängstigten Männer und Frauen in den Palast führten. Von den Attentätern waren die meisten tot oder so schwer verletzt, dass sie keine Gefahr mehr darstellten. Offenbar hatten nur zwei den Kampf unbeschadet überstanden. Sie lagen auf dem Boden, bewacht von Spiegelmännern.
Auch die Aeronauten mussten sich hinlegen. Jackon traute sich nicht näher heran, also kletterte er auf einen Apfelbaum, der ihm eine gute Sicht auf das Geschehen bot. Corvas befahl zwei Spiegelmännern, den Luftschiffkommandanten herzubringen, woraufhin die Maskierten einen Aeronauten vor ihm auf die Knie zwangen.
»Wer steckt hinter diesem Anschlag?«, fragte der Bleiche.
»Mit Verrätern an Bradost und der Republik rede ich nicht«, erwiderte der Kapitän barsch und spuckte aus.
Wortlos nickte Corvas Amander zu, der zu den beiden überlebenden Attentätern ging, einer jungen Frau und einem Mann mit vernarbtem Gesicht. Dem Mann legte Amander die Hand auf den Kopf, nur eine flüchtige Berührung, die jedoch ausreichte, dass sein Gift zu wirken begann. Der Attentäter zuckte am ganzen Leib, hustete Blut, verzerrte vor Qual das Gesicht und starb.
Jackon konnte das Grauen der anderen Gefangenen förmlich spüren.
»Antworte, oder all deine Freunde erleiden dasselbe Schicksal«, sagte Corvas mit seiner tonlosen Stimme.
»Lass dich nicht einschüchtern, Coel«, rief die junge Frau. »Die Lady ist tot! Ich habe es gesehen. Will hat sie abgestochen …«
Corvas machte eine herrische Geste, und Amander brachte sie mit einer Berührung seiner Hände zum Schweigen. Obwohl sie ebenso qualvoll starb wie ihr Gefährte, lächelte der Kapitän.
»Habt ihr gehört, Freunde?«, rief er. »Wir haben gesiegt! Bradost ist frei …«
Ein paar der Gefangenen riefen »Bradost!« und »Ein Hoch auf die Republik!«, bevor die Spiegelmänner dem Jubel ein Ende machten, indem sie mit den Schäften ihrer Rabenschnäbel auf die Aeronauten einschlugen.
»Ihr irrt euch«, sagte Corvas. »Die Lordkanzlerin ist nicht tot.«
Der Kapitän krümmte sich von einem Schlag in die Magengrube. »Erzähl deine Lügen, wem du willst«, ächzte er. »Meine Leute wissen, was sie gesehen haben.«
Corvas machte sich nicht die Mühe, darauf zu antworten. Wortlos drehte er den Kopf und blickte zu einem Balkon empor, auf dem Umbra stand.
Hinter der rothaarigen Leibwächterin erschien Lady Sarka.
Jackon musste zweimal blinzeln, bis er sicher war, dass ihm seine Augen keinen Streich spielten. Es war die Lady, ohne jeden Zweifel. Blass und schön trat sie an die Brüstung. Das Haar fiel in weichen Locken auf ihre Schultern, ihr zierlicher Leib zeigte keinerlei Anzeichen von Verletzung, nicht einmal Blut war zu sehen. Statt ihres Abendgewands trug sie nichts als eine Decke, mit der sie ihren nackten Körper verhüllte.
Wie, bei allen Namen Tessarions, war das nur möglich?
Stille breitete sich im Garten aus, als die Lady ihren Blick über die Gefangenen gleiten ließ.
»Ich habe dir eine Frage gestellt«, wandte sich Corvas an den Kapitän.
»Wir haben sie sterben sehen«, stieß der Aeronaut hervor. »Was ist das für eine Teufelei?«
Corvas packte ihn am Kinn. »Rede!«
Es mussten keine weiteren Gefangenen sterben. Das unvermittelte Auftauchen von Lady Sarka hatte genügt, den Widerstand
des Kapitäns zu brechen. Stockend beantwortete er Frage um Frage, die Corvas auf ihn abschoss.
Jackon versuchte gar nicht erst zuzuhören. Er starrte die Lady an, die reglos an der Brüstung stand. Hatte ein Arzt oder irgendeine machtvolle Medizin sie gerettet? Nein, unmöglich. Nichts und niemand hätte etwas gegen ihre Wunden ausrichten können. Sie hätte binnen weniger Minuten verblutet sein müssen.
Ihm war, als erwache er aus einem schrecklichen Albtraum. Es spielte keine Rolle, wer oder was die Lady vor dem Tod bewahrt hatte. Sie lebte. Allein das war wichtig.
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als eine Welle ungeheurer Erleichterung über ihn hinwegspülte.
Und im selben Moment brach der Ast ab.
Allmählich kehrte Ruhe im Palast ein. Nachdem Corvas die Gefangenen verhört hatte, ließ er die Gäste gehen. Seine Spiegelmänner brachten die Aeronauten zum Gefängnis, kehrten anschließend aber nicht zum
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