Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
Beutel und verpasste ihm eine Ohrfeige.
Schließlich gelangten sie zu einem dunklen Winkel, wo sich eine Öffnung im Mauerwerk befand. Das Gitter vor dem Loch war so verrostet, dass nur noch Stümpfe von den Eisenstäben übrig waren. Nacheinander schlüpften sie hindurch und fanden sich auf einer Treppe wieder, die sich steil nach unten wand. Licht flammte auf, und vor ihnen erschien Lucien, in der Hand eine Lampe.
Der Alb übernahm die Führung und geleitete sie tiefer in die Gewölbe hinab. Das Gaslicht irrlichterte über die feuchten Wände und offenbarte ihnen flüchtige Blicke in die Säle und Tunnel, an denen sie vorbeikamen. Nachtschwarze Finsternis herrschte darin. Vivana konnte nur raten, welchem Zweck diese Kammern und Gänge einst gedient hatten, während ihr Blick die vergitterten Schächte, mächtigen Zahnräder und rostzerfressenen Kettenzüge darin streifte.
Mit jeder Treppenstufe fühlte sie sich unwohler, das Atmen fiel ihr schwer. Doch es war nicht die Dunkelheit oder die zunehmende Kälte, die ihr zu schaffen machten – Vivana konnte förmlich spüren, dass das Mauerwerk um sie herum vom Bösen durchsetzt war, von einer dunklen, unheilvollen Kraft, die den Stein wie ein verästeltes Pilzgewebe durchzog, genährt von der Lasterhaftigkeit der Spelunken und Hurenhäuser in den oberen Geschossen, wenngleich ihr Ursprung viel älter und grausiger war.
»Früher wurden in der Arena Gladiatorenkämpfe abgehalten«, erklärte Lucien, als sie ihn darauf ansprach. »Tierhetzjagden, Hinrichtungen, Gefechte Mann gegen Mann. Ein furchtbares Gemetzel, Woche für Woche, dreihundert Jahre lang. Nirgendwo im ganzen Land wurde auf so kleinem Raum so viel Blut vergossen. Das hat Spuren hinterlassen. Ein fernes Echo der Gewalt. Diese Tunnel sind voll davon.«
»Und deshalb gibt es hier ein Tor zum Pandæmonium?«
Der Alb nickte. »Solche Tore entstehen überall, wo das Böse lange Zeit am Werk gewesen ist.«
»Einfach lächerlich«, murmelte Vivanas Vater.
Seine Skepsis war Vivana unbegreiflich. »Wenn du nicht an solche Dinge glaubst, wie erklärst du dir eigentlich, dass Lucien existiert?«
»Nur weil es Schattenwesen gibt, muss ich nicht jede Schauergeschichte für bare Münze nehmen.«
»Und was ist deiner Meinung nach mit Liam geschehen?«
»Vermutlich hat er sich in einem seltenen Anfall von Vernunft aus dem Staub gemacht. Oder er ist tot«, fügte er leise hinzu.
»Ist er nicht«, widersprach sie entschieden. »Wieso sagst du so etwas?«
Ihre Stimmen hallten durch den Treppenschacht.
»Seid leise«, sagte Lucien. »Wer weiß, was sich hier unten alles herumtreibt.«
Schweigend folgten sie den uralten Stufen. Irgendwann endete die Treppe an einem Schutthaufen, wo die Wand eingestürzt war, und sie kletterten durch einen Spalt in einen weiteren Komplex aus Räumen und Gängen. Die Kammern waren so alt und verwittert, dass man nicht mehr erkennen konnte, ob sie natürlichen Ursprungs oder von Menschenhand geschaffen waren. Geometrische Formen wechselten sich mit Kurven, Bögen und wuchernden Felswülsten ab, als wäre das Mauerwerk teilweise organisch gewachsen.
Heller Staub bedeckte den Boden. Es knirschte, als Vivana einen Fuß darauf setzte, und mit leisem Grauen wurde ihr klar, dass es sich um Knochenreste handelte.
»Wir sind gleich da«, murmelte Lucien. Er schien den Weg genau zu kennen, denn obwohl es eine Vielzahl von Abzweigungen gab, ging er zielstrebig voraus.
Vivana bemerkte, dass Decken und Wände von Schlieren einer öligen Substanz überzogen waren. Sie war schwarz und sonderte einen widerwärtigen Gestank von Krankheit und Fäulnis ab.
»Was ist das?«
»Nicht anfassen«, sagte Lucien. »Das ist böse Energie. Eine ihrer Erscheinungsformen, genauer gesagt. Sie sickert aus der ganzen Stadt herein. Das Tor zieht sie an.«
Kurz darauf hob Ruac den Kopf und blickte sich wachsam um. Er besaß überaus feine Sinne. Offenbar nahm der Tatzelwurm etwas wahr, das Menschen verborgen blieb, weswegen es Vivana nicht überraschte, als Lucien schließlich stehen blieb und sagte: »Da ist es.«
Ihr Weg endete in einem nicht sonderlich großen, teilweise eingestürzten Raum.
Am oberen Ende einer kleinen Schutthalde befand sich das Tor.
Das Gestein dort ging in fleischige Stränge über, die ein knotiges Nest bildeten, eine Art Membran. Die ölige Substanz an den Wänden sammelte sich in dem Gebilde, das pulsierte wie ein Organ und die verdorbene Energie in sich aufsog.
Der Gestank war
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