Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
darum bemüht, das Pochen in seiner Brust zu ignorieren. Wenigstens schien er in Sicherheit zu sein. Man würde ihm kaum Suppe bringen, wenn noch Ghule in der Nähe wären.
Er versuchte, sich an weitere Einzelheiten des Kampfes zu erinnern. Was war mit Liam geschehen, nachdem Corvas und Amander ihn die Treppe hinaufgetragen hatten? Was mit Lucien und dem Mädchen – Vivana? Und wie viel Zeit war seitdem vergangen? Ein paar Stunden? Mehrere Tage?
Auf all diese Fragen fand er keine Antwort, denn er war viel zu müde, um konzentriert nachzudenken. Als er gerade am Einschlafen war, trübte etwas den Lichtschein der Lampe. In einer Zimmerecke ballten sich die Schatten zu einem schwarzen Kern zusammen, aus dem Umbra und Lady Sarka traten.
Bei ihnen war eine dritte Person, ein unauffälliger Mann mittleren Alters, der eine Ledertasche trug. Das Schattentor schloss sich, während die Lady und der Mann näher kamen. Umbra wartete in der Ecke.
»Jackon.« Lady Sarka lächelte ihn an. »Wellcott hat mir mitgeteilt, dass du endlich aufgewacht bist. Wie geht es dir?«
»Herrin«, ächzte er und wollte sich schon aufsetzen – mit dem Ergebnis, dass ihn abermals bohrender Schmerz durchzuckte.
»Nicht bewegen«, sagte der fremde Mann. »Die Wunde könnte sonst aufplatzen.« Er setzte sich auf einen Schemel, öffnete seine Tasche und holte eine Spritze und Verbandsmaterial heraus.
»Doktor Addock, mein Leibarzt«, stellte Lady Sarka ihn vor. »Er wird sich um dich kümmern, bis es dir besser geht.«
»Du hattest verteufeltes Glück, mein Junge«, meinte der Doktor. »Ein paar Zentimeter weiter unten und die Dolchklinge hätte dein Herz durchbohrt. Wenn sich die Wunde nicht entzündet, solltest du in ein paar Wochen wieder auf den Beinen sein. Am schlimmsten sind jetzt die Schmerzen. Ich gebe dir Morphium, damit du schlafen kannst … Halt still, ich muss den Verband erneuern.«
Jackon biss die Zähne zusammen, als der Doktor die Kompresse von der Wunde entfernte. Getrocknetes Blut klebte daran.
»Was ist mit Aziel geschehen?«, fragte er, während Doktor Addock seine Arbeit tat.
»Hab keine Angst«, erwiderte Lady Sarka. »Er ist fort. Und die Ghule auch. Die Spiegelmänner haben sie vertrieben.«
»Ist er tot?«
»Nein. Aber sehr geschwächt. Er kann dir vorerst nichts tun.«
»Vorerst?«, wiederholte Jackon alarmiert.
»Nun ja, du bist ein Traumwanderer. Aziel fürchtet dich mehr als sonst etwas auf der Welt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er noch einmal versuchen wird, dich zu töten.«
Das war nicht gerade die Antwort, die er sich erhofft hatte. Beunruhigt kaute er auf seiner Lippe.
»Aber mach dir deswegen keine Sorgen«, fuhr Lady Sarka fort. »In diesem Zimmer kann dir nichts geschehen. Sieh zu, dass du gesund wirst. Das ist jetzt am wichtigsten.« Sie griff in ihre Robe und holte einen Anhänger hervor. »Leg das an. Nur zur Sicherheit.«
Es war das Drudenfußamulett. Jackon erinnerte sich, dass der Silberanhänger sowohl Lucien als auch Aziel daran gehindert hatte, ihn zu berühren. Mit Doktor Addocks Hilfe streifte er die Kette über den Kopf, aber besser fühlte er sich dadurch nicht, im Gegenteil. Wenn Lady Sarka wollte, dass er den Anhänger trug, war er in dieser Kammer offenbar nicht so sicher, wie sie behauptete.
»Was ist aus Lucien geworden?«
»Wissen wir nicht«, antwortete Umbra. »Er ist kurz nach dem Kampf verschwunden.«
»Und Liam? Ich will ihn sehen.«
Die Leibwächterin und Lady Sarka wechselten einen Blick. Umbra sagte langsam: »Hör zu, Jackon. Außer Corvas, Amander und uns beiden hat niemand den Angriff überlebt. Jocelyn, Ibbot Hume und die anderen Bediensteten wurden getötet, als die Ghule den Gesindeflügel stürmten.«
»Aber Liam war nicht im Gesindeflügel. Er war bei mir. Wir sind gemeinsam zum Kuppelsaal geflohen, weißt du nicht mehr?«
»Der Incubus hat ihn verbrannt.«
»Verbrannt? Ich verstehe nicht … Er hat doch auf Seth geschossen. Zweimal!«
»Er ist tot, Jackon«, sagte Umbra.
In Jackons Kopf drehte sich alles. »Nein. Nein, das glaube ich nicht.«
»Es tut mir leid«, bemerkte Lady Sarka sanft. »Ich weiß, er war dein Freund.«
Er grub die Finger in den Couchbezug und stemmte sich hoch, trotz der Schmerzen und der Proteste des Doktors. »Hat es jemand gesehen? Hat jemand gesehen, wie er gestorben ist?«
»Nein«, antwortete Umbra. »Aber niemand überlebt das Feuer eines Dämons.«
Der Gleichmut, mit dem sie das sagte, machte ihn zornig, so
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