Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
Eisen geschmiedet?
Vivana ging in die Hocke. Zögernd führte sie ihre Hand zu der Steintafel, obwohl sie ein ungutes Gefühl dabei hatte. Aber da war etwas an der Stele, das sie magisch anzog, das in ihr den Drang weckte, mehr darüber herauszufinden, jeder Gefahr zum Trotz.
Ihre Haut begann zu prickeln, als sie die Platte mit den Fingerkuppen berührte. Der Stein schien warm zu sein, aber möglicherweise bildete sie sich das nur ein, so aufgeregt, wie sie war. Sie legte die Handfläche auf die Schriftzeichen … und plötzlich floss Hitze durch ihren Arm, ein Strom sengender Energie, der ihre Schultern, ihre Brust, ihren ganzen Körper
erfüllte. Sie wollte ihre Hand zurückziehen, doch es gelang ihr nicht, so als wäre die Haut mit dem Stein verwachsen. Bilder blitzten in ihrem Kopf auf, begleitet von tausendfachen Stimmen und Geräuschen, eine Kaskade, eine gewaltige Flut von Eindrücken, die jäh über sie hereinbrach. Sie sah riesige Städte mit himmelhohen Türmen, Menschen in seltsamen Kleidern mit noch seltsameren Waffen und Geräten, Heerscharen von fliegenden Dämonen, die den Himmel verdunkelten, und grausame Schlachten, die grünes und fruchtbares Land in eine Wüste aus Staub, Asche und Schwefel verwandelten. Sturmböen von unfassbar mächtiger Magie walzten über Berge und Ebenen, entflammten das Firmament und brachten Meere zum Kochen.
All das sah Vivana innerhalb weniger Augenblicke. Sie ächzte vor Entsetzen und Schmerz und verlor das Bewusstsein.
Es war Ruac, der sie weckte. Der Tatzelwurm saß auf ihrem Bauch, die Krallenpfoten auf ihrem Schlüsselbein, und züngelte. Sie blinzelte und stellte fest, dass sie neben der Stele auf dem Rücken lag.
»Was war das?«, fragte sie Ruac mit belegter Stimme.
Sie drückte ihn mit einer Hand an sich, während sie die andere zu Hilfe nahm, um sich aufzusetzen. Ihr war schwindelig, und ihr Kopf tat weh. Wenigstens sah sie keine Bilder mehr.
Benommen betrachtete sie die Stele. Was, bei allen Namen Tessarions, hatte dieses Steinding mit ihr gemacht?
Sie drehte den Kopf, als sie ihren Namen hörte. Ihr Vater hatte offenbar gesehen, was passiert war, und rannte den Hang hinunter, gefolgt von Lucien.
Mühsam stand sie auf. Ihr Vater sollte nicht denken, dass es ihr schlecht ging. Er würde ihr nur wieder Vorhaltungen machen, dass sie besser auf ihn gehört hätte und im Lager geblieben wäre.
»Was ist los?«, fragte er, als die beiden Männer die Ruine erreichten. »Du bist plötzlich umgekippt. Geht es dir gut?«
»Alles in Ordnung, Paps. Mach dir nicht schon wieder Sorgen. «
»Was ist denn passiert?«
»Ich habe diese Platte da angefasst und bin ohnmächtig geworden. «
»Einfach so?«
»Ich habe Sachen gesehen. Bilder. Von einem Krieg, glaube ich.«
»Nachdem du die Tafel berührt hast?«, fragte Lucien argwöhnisch.
Sie nickte.
Der Alb ging zur Stele und untersuchte sie, ohne sie anzufassen. Schließlich zückte er sein Messer und kratzte damit über den Stein, zog die Klinge jedoch sofort wieder zurück. »Du hattest verteufeltes Glück. Du hättest den Verstand verlieren können. Mach so etwas nie wieder, hörst du?«
Vivana zog die Nase kraus. »Was ist das überhaupt für ein Ding?«
»Der Stein enthält gespeicherte Erinnerungen. Sehr alt. Und ziemlich gefährlich.«
»Gespeicherte Erinnerungen?«, fragte ihr Vater. »Von wem?«
»Den Leuten, die diesen Turm gebaut haben«, antwortete Vivana. »Und die anderen Ruinen.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich es gesehen habe.«
»Was genau hast du gesehen?«, wollte Lucien wissen.
Es fiel ihr schwer, sich an Einzelheiten zu erinnern. Außerdem war die Abfolge der Bilder – der Erinnerungen – willkürlich und chaotisch gewesen, sodass sie bestenfalls vermuten konnte, was damals, vor unbegreiflich langer Zeit, geschehen
war. »Früher haben hier Menschen gelebt. Aber keine wie wir, sondern … höher entwickelte.« Eine bessere Beschreibung für die magische Zivilisation, die sie gesehen hatte, fiel ihr nicht ein.
»Was meinst du mit ›hier‹?«, fragte ihr Vater. »Im Pandæmonium?«
»Dieses Land war nicht immer das Pandæmonium. Früher war es ein ganz normales Land. Die Heimat dieser Menschen. «
»Du hast von einem Krieg gesprochen«, sagte Lucien.
»Ja. Ein Krieg gegen die Dämonen. Die Menschen haben ihn beinahe verloren, also überließen sie den Dämonen ihr Land und … trennten es ab.«
»Trennten es ab?«, wiederholte ihr Vater.
»Sie nutzten ihre Magie und
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