Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
schleuderten es ins Nichts, wo es zum Pandæmonium wurde«, sagte Lucien. »Das meinst du doch, oder?«
»Ich denke schon«, erwiderte Vivana ein wenig ratlos. Es war schwierig, diese Dinge zu beschreiben – für vieles, was sie gesehen hatte, gab es in ihrer Sprache keine passenden Wörter. Sie bemerkte den Gesichtsausdruck ihres Vaters. »Du glaubst mir nicht, richtig?«
»Ein ganzes Land, das einfach verschwindet«, sagte er. »Du musst zugeben, dass das nicht gerade plausibel klingt. Und wieso steht davon nichts in den Geschichtsbüchern?«
»Weil es lange her ist. Länger als du dir vorstellen kannst.«
Er war nicht überzeugt. »Was wurde aus diesem mysteriösen Volk?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie.
»Völker verschwinden eben mit der Zeit«, sagte Lucien. »Oder der Zauber, mit dem sie die Dämonen aus der Welt geschafft haben, hat sie so viel Kraft gekostet, dass sie ausgestorben sind.«
»Ja«, meinte Vivana. »Ja, ich glaube, so ist es gewesen.«
Ihr Vater hatte sein Büchlein gezückt, um sich Notizen zu machen. Er steckte es zurück in seine Brusttasche und stapfte durch die Ruine.
»Was hast du vor?«
»Ich will sehen, was du gesehen hast.«
Lucien hielt ihn fest. »Habe ich nicht gerade gesagt, dass es gefährlich ist?«
»Vivana ist auch nichts passiert«, erwiderte der Erfinder unwirsch.
»Sie war ohnmächtig, schon vergessen? Außerdem ist nicht gesagt, dass mit dir dasselbe geschieht. Magische Gerätschaften sind unberechenbar, besonders wenn sie so alt sind.«
»Die Tafel ist hier, damit man sie anfasst. Dieses Volk wollte , dass jemand seine Geschichte erfährt.«
»Mag sein«, sagte Lucien. »Aber das nützt dir wenig, wenn dir das Hirn aus den Ohren quillt.«
Unsanft schüttelte Vivanas Vater seine Hand ab und stapfte mit finsterer Miene zum Lager zurück.
Vivana blickte sich noch einmal nach der Stele um, bevor sie dem Erfinder folgte. Es war ein seltsames Gefühl, ihr den Rücken zuzudrehen. Beinahe so, als würde sie beobachtet.
14
Die Horde
E in paar Stunden später, als sie einigermaßen ausgeruht waren, brachen sie auf. Nach einem anstrengenden Marsch durch die Hügel, die immer höher und zerklüfteter wurden, gelangten sie irgendwann in eine Ebene. Schwefliger Rauch stieg aus zahlreichen Spalten und Rissen in der ausgetrockneten Erde auf, sodass man selten weiter als hundert Schritt blicken konnte. Während der Dämon sie in Richtung der Berge führte, musste Vivana an die magischen Feuerstürme aus ihrer Vision denken. Vielleicht war diese Ebene einst fruchtbares Weideland gewesen, mit Äckern, Obstgärten und Plantagen. Unvorstellbar, dass hier vor Äonen Menschen gelebt hatten.
Der Rauch war beißend und giftig und machte jeden Atemzug zur Qual. Vivana spürte, wie ihr Rachen wund wurde, und sie musste so heftig husten, dass stechende Schmerzen ihre Brust durchzuckten. Lucien und ihrem Vater erging es nicht besser. Nur dem Dämon machte der Rauch nichts aus. Vivana fragte sich, ob er sie hergeführt hatte, um sie umzubringen.
Ein Gutes allerdings hatte der Qualm: Er verbarg sie vor den Dämonenvögeln, die gelegentlich am Himmel kreisten. Manchmal stieß eine der geflügelten Kreaturen herab und kam ihnen gefährlich nahe. Einmal mussten sie sich deswegen in einer Felsspalte verstecken. Es dauerte nicht lange, bis der Riesenvogel wieder verschwand, trotzdem erstickten sie beinahe an den Dämpfen, die aus der Erde quollen.
Schließlich wich die Ebene karstigen Hügeln, ähnlich jenen, die sie vor einem halben Tag durchquert hatten. Felsen bildeten haushohe Haufen, manche in großer Hitze zu glasigen Klumpen und wilden Formen zerschmolzen. Tümpel und Pfuhle aus blubberndem Schwefel befanden sich in Mulden und Talsenken, teilweise so groß wie Vulkankrater. Sie erfüllten die Luft mit gelben Schwaden und ätzendem Gestank. Schon in der Ebene hatten sich die Gefährten wassergetränkte Tücher vor Mund und Nase gebunden, was das Atmen ein wenig erleichterte.
Lucien studierte seine Karte, während er mit dem Dämon vorausging. Vivana stapfte neben ihrem Vater her, der sich darüber beklagte, dass er keines seiner Messgeräte dabeihatte und sich somit bei der Erforschung des Pandæmoniums allein auf seine Beobachtungsgabe verlassen musste. Ruac folgte ihnen watschelnd und fiel gelegentlich ein paar Schritte zurück, weil er an einem Schwefelpfuhl schnupperte.
Nach einer Weile hörte der Erfinder auf, vor sich hin zu schimpfen. »Ich glaube, ich muss
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