Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
hatten, mit der Absicht, Bradost ins Chaos zu stürzen. Wer so etwas tat, hatte es nicht besser verdient.
Anders als bei anderen Hinrichtungen, wo die Menge jubelte, wenn der Mörder oder Vergewaltiger durch die Hand des Scharfrichters starb, blieben die Leute auf dem Tessarionplatz stumm. Es gab keine ausgelassenen Rufe, niemand bewarf die Gehängten mit faulem Obst.
»Undankbares Pack«, hörte Jackon Umbra murmeln, als sie Lady Sarka von der Tribüne begleiteten.
Die Menge zerstreute sich zügig, als könnten die Leute es nicht abwarten, nach Hause zu kommen. Jackon und seine Gefährten brachten die Herrin zu den beiden Droschken, die am Rand des Platzes warteten, und kurz darauf fuhren sie die Kupferstraße hinunter, flankiert von einem Trupp berittener Soldaten.
Gespenstische Stille herrschte in den Gassen der Altstadt. Die Leute hatten nun gesehen, was mit Verbrechern und Rebellen geschah. Es würde lange dauern, bis wieder jemand wagte, gegen Lady Sarka aufzubegehren. Jackon erinnerte sich an ein Gespräch, das er vor langer Zeit mit Umbra geführt hatte. Die Leibwächterin hatte gesagt, als Herrscherin von Bradost sei Lady Sarka für das Wohl unzähliger Menschen verantwortlich. Deshalb sei es ihre Pflicht, jeden zu vernichten, der versuche, die Ordnung zu stören. Jackon war anderer Meinung gewesen und hatte argumentiert, es sei falsch, Menschen einzusperren und zu töten.
Er musste lächeln, wenn er daran dachte. Wie naiv er damals gewesen war. Er hatte wirklich nicht die geringste Ahnung von den politischen Zuständen in der Stadt gehabt. Wie auch? Er war schließlich nur ein Schlammtaucher gewesen, mit dem geistigen Horizont einer Kanalratte. Glücklicherweise wusste er es inzwischen besser. Ein Moloch wie Bradost ließ sich nur mit harter Hand regieren, und Rebellen und Aufrührer verdienten keine Gnade. Das war nicht schön. Aber so sah die Welt nun einmal aus.
Nach einer Viertelstunde erreichten sie den Palast. Jackons Tag war jedoch noch lange nicht zu Ende. Schon in zwei Stunden wurde Lady Sarka in den Aetherküchen erwartet, deshalb befahl sie ihren Leibwächtern, rasch eine Kleinigkeit zu essen und sich frischzumachen, bevor sie weiterfuhren. Jackon ging auf sein Zimmer und zog die staubigen Kleider aus. Die Stelle, wo Seth ihn verletzt hatte, rieb er mit Salbe ein. Die Wunde war fast verheilt, er litt kaum noch Schmerzen und war wieder so kräftig und beweglich wie früher. Doch ganz verschwinden würde die Verletzung nie. Dicht über seinem Herzen befand sich eine sternförmige Narbe, die ihn immerzu daran erinnerte, wie knapp er dem Tod entronnen war.
Nachdem er sich umgezogen hatte, brachte Cedric ihm
etwas zu essen. Jackon setzte sich und machte sich ein Brot. »Bring die schmutzigen Sachen in die Wäscherei«, befahl er dem Diener.
»Gewiss. Wünschen der Herr noch etwas Kaffee?«
»Klar, her damit.«
Cedric stellte ihm eine Tasse hin, nahm die staubigen Kleider an sich und verließ das Zimmer so lautlos wie ein Geist. Zufrieden mit sich trank Jackon einen Schluck. Von Cedrics Arroganz war kein Staubkorn mehr übrig. Vor ein paar Tagen hatte Jackon seine blasierte Überheblichkeit nicht mehr ertragen und ihn daraufhin in seinen Träumen aufgesucht. Er hatte ihm den Albtraum seines Lebens beschert und ihm klargemacht, dass er Nacht für Nacht wiederkommen würde, wenn Cedric sich nicht endlich benahm, wie es sich für einen Diener gehörte. Seitdem war der Mann die Unterwürfigkeit in Person und behandelte Jackon, als wäre er der Gottkönig von Varusia.
Wurde auch Zeit , dachte er mit finsterer Befriedigung. Er war ein Traumwanderer und Leibwächter der Lordkanzlerin. Niemand tanzte ihm mehr auf der Nase herum.
Am frühen Nachmittag fuhren sie los – diesmal nur mit einer Droschke, denn Corvas und Amander hatten andere Aufgaben und blieben im Palast. Sie fuhren nach Süden über die Chimärenbrücke, weiter zum Phönixplatz und am Luftschiffhafen vorbei. Jackon war noch nie auf dieser Seite des Flusses gewesen. Er konnte sich kaum sattsehen an dem Landefeld mit seinen Ankermasten, den muschelähnlichen Hangars und den prachtvollen Luftschiffen, die zur Sonne aufstiegen und über den Himmel glitten, mit einer Leichtigkeit und Eleganz, die ihre Größe Lügen straften.
»Du bist noch nie mit einem Luftschiff gefahren, nicht wahr?«, fragte Lady Sarka.
»Nein«, murmelte Jackon.
Sie lächelte hintergründig.
Das Viertel, durch das sie anschließend fuhren, hatte keinen
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