Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
schauen. »Nein! Ich meine, natürlich ist heute Samstag, aber das ist überhaupt nicht der Punkt. Worauf ich hinauswill, ist, dass wir, also sie …« Sie blinzelte. »Verdammt, Torne, zieh dir was an. So kann ich mich nicht konzentrieren. «
Der Alchymist machte keine Anstalten, sich zu bedecken. Er hockte sich auf einen Schemel und stellte die Füße in eine Kupferwanne mit grünlicher Flüssigkeit. Seelenruhig holte er zwei weitere Blutegel aus einem Einmachglas und setzte sich einen auf den Arm und den anderen auf den Bauch. Schaudernd stellte Umbra fest, dass die Tiere irgendetwas mit seinen Geschwüren anstellten.
»Du wolltest etwas sagen«, erinnerte Torne sie.
»Du sollst in den Kuppelsaal kommen und Lady Sarka den Doppelgänger übergeben.«
»Das kann nicht sein. Der Termin ist frühestens in zwei Wochen.«
»Du hattest sechs Wochen, und die sind um. Auf den Tag genau.«
»Tatsächlich?«
»Ja! Also, wo ist er?«
Torne lehnte sich zurück und starrte ins Nichts.
»Es gibt keinen Doppelgänger, richtig?«, fragte Umbra.
»Es gibt schon einen.«
»Aber?«
»Er ist nicht hier.«
»Was soll das heißen?«
»Ich dachte, es gäbe noch einen Doppelgänger in Bradost, den ich aufspüren und einfangen könnte, doch das war ein Irrtum. Offenbar hat er die Stadt schon vor einer Weile verlassen. Jetzt suche ich woanders. Allerdings ist das aufwändiger und langwieriger, als ich erwartet habe.«
»Mit anderen Worten: Du hast versagt.«
»Ich brauche nur mehr Zeit.«
»Du hattest genug Zeit«, knurrte Umbra. »Weißt du, was ich glaube? Du hast überhaupt nicht gesucht. Du hast dir ein schönes Leben auf Lady Sarkas Kosten gemacht, Unsummen für die Zentrifuge und den ganzen anderen Plunder verprasst und sechs Wochen lang weiß Gott was getrieben. Ich hätte es mir denken können. Ich war von Anfang an dagegen, mit einem Lügner und Giftmischer wie dir Geschäfte zu machen. Aber du hast uns lange genug zum Narren gehalten. Pack deine Sachen. In einer Stunde komme ich wieder. Wenn du dann noch hier bist, gnade dir Tessarion.«
»Du willst mich vor die Tür setzen?«, fragte Torne.
»Ich kann dich auch zu Lady Sarka bringen, damit du ihr persönlich erklärst, warum sie keinen Doppelgänger bekommt, wenn dir das lieber ist.«
Der Alchymist beugte sich nach vorne, und sein gesundes Auge glitzerte böse. »Darf ich dich daran erinnern, dass wir eine Abmachung haben? Sie lautet: Ich beschaffe euch einen Doppelgänger, und ihr seid mir im Gegenzug dabei behilflich, Lucien zu finden. Du hast mir sogar zugesichert, ihr würdet die Geheimpolizei und Corvas’ Krähen auf ihn ansetzen. Aber passiert ist bis jetzt nichts. Wenn also jemand einen Grund
hat, sich über ausbleibende Resultate zu beklagen, bin ich das.«
»Im Gegensatz zu dir haben wir versucht, unseren Teil der Abmachung zu erfüllen. Corvas’ Leute gehen seit Wochen jedem Hinweis nach. Dass sie Lucien noch nicht gefunden haben, ist nicht unsere Schuld.«
»Du willst mir weismachen, Bradosts gefürchtete Geheimpolizei sei nicht in der Lage, ein einzelnes Schattenwesen aufzuspüren? «
»Lucien ist kein Kleinkrimineller aus dem Rattennest. Du weißt selbst, wie gerissen er ist. Außerdem ist nicht gesagt, dass er sich noch in Bradost aufhält. Einiges deutet daraufhin, dass er Wind von der Sache bekommen und die Stadt verlassen hat.«
»Ach so ist das«, sagte Torne. »Ich werde beim kleinsten Auftreten von Schwierigkeiten an die Luft gesetzt, aber wenn ihr an einer simplen Aufgabe scheitert, habe ich das klaglos hinzunehmen. Wenn ich gewusst hätte, dass das eure Vorstellung von einem Geschäft ist, hätte ich mich nie darauf eingelassen. «
Umbra schwieg wütend. Torne hatte das unangenehme Talent, jeden Angriff auf sich in einen Vorteil umzumünzen. Seiner unverschämten und hinterhältigen Art war sie nicht gewachsen.
»Ich mache dir einen Vorschlag«, fuhr der Alchymist fort. »Wir vergessen diese Unterhaltung und machen weiter wie gehabt. Ich beschaffe euch einen Doppelgänger, den ihr bekommt, sowie ihr mir Lucien gebracht habt. Das ist euch hoffentlich ein Ansporn, eure Suche von nun an mit ein wenig mehr Einsatz zu betreiben.«
Umbra gab auf. »Wie viel Zeit brauchst du?«, fragte sie barsch.
»Noch einmal sechs Wochen.«
»Du kriegst zwei.«
»Sechs Wochen. Oder ich erzähle in der ganzen Stadt herum, dass die Geheimpolizei ein Haufen unfähiger Trottel ist.«
Umbra verspürte das starke Bedürfnis, ihn mit seinem eigenen
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