Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
Shembar ins Freie und schritt in aller Seelenruhe über die Straße. Dabei schaute er sich um wie ein neugieriger Tourist. Das herbstlich-trübe Morgenlicht schien ihn nicht zu stören.
»Hierher!«, rief Lucien.
Dieser wilde Flug mit eurem Wunderapparat war eine außergewöhnliche Erfahrung, sagte der Untote, als er zu ihnen trat. Und erst eure kühne Landung! So viel Aufregung habe ich seit Jahrhunderten nicht erlebt. Ich danke euch.
Jackon fragte sich, ob sich der Nigromant einen Scherz mit ihnen erlaubte. Dann rieb er sich fröstelnd die Arme. Er würde sich nie an die Gegenwart des Untoten gewöhnen.
Mahoor Shembar blickte zu den Dächern auf. Eine bemerkenswerte Stadt, wirklich. Worum handelt es sich bei diesen Bauwerken? Tempel und Anwesen für die hohe Priesterschaft?
»Stinknormale Wohnhäuser«, sagte Lucien. »Jetzt komm rein, bevor man dich sieht.«
Wohnhäuser, wiederholte der Nigromant, während er ihnen folgte. Erstaunlich. Das Volk von Bradost muss höchst seltsame Sitten besitzen, dass es den niederen Pöbel in solch ehrwürdigen Palästen wohnen lässt.
Von einem Fenster aus beobachteten sie die
Phönix
. Das Flaggschiff schoss mehrere Blitze ab, bis von der
Jaipin
nur noch brennende Trümmer übrig waren. Dann drehte es bei und verschwand mit dröhnenden Motoren hinter den Dächern.
Jackon atmete auf und schloss für einen Moment die Augen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie knapp er gerade dem Tod entronnen war. Es hatte nicht viel gefehlt, und er und seine Gefährten wären bei dem Absturz zerschmettert oder von den Blitzen der
Phönix
zu Asche verbrannt worden.
Er wandte sich zu Lucien um, der nach Khoroj sah. Der Südländer war ohnmächtig geworden. Seine Leibwächter verbanden die Wunde an seiner Stirn.
»Wie geht es ihm?«
»Schwer zu sagen. Ich fürchte, er hat viel Blut verloren.«
Ich verfüge über beachtliche Kenntnisse in Heilkunst und Medizin, wisperte Mahoor Shembar aus den Schatten. Vielleicht vermag ich zu helfen.
Jackon grauste bei der Vorstellung, dass sich der Untote mit seinen Knochenfingern an Khoroj zu schaffen machte. Lucien schien das glücklicherweise ähnlich zu sehen.
»Das überlassen wir schön seinen Dienern«, sagte der Alb. »Bei ihnen ist er in guten Händen.«
Quindal kauerte mit dem Rücken an der Wand und hatte sein verletztes Bein ausgestreckt. »Ihr müsst Vivana und Liam suchen. Wahrscheinlich brauchen sie eure Hilfe.«
Lucien nickte. »Jackon und ich gehen sie holen. Ihr wartet hier. Versteckt euch am besten im Keller, für den Fall, dass Soldaten oder Spiegelmänner auftauchen. Unseren Absturz hat man vermutlich meilenweit gesehen.«
Kurz darauf eilten sie durch die Altstadt. Zu Jackons Überraschung begegnete ihnen kaum eine Menschenseele, obwohl sich um diese Zeit normalerweise die Gassen mit Leuten füllten, die ihren Geschäften und ihrer Arbeit nachgingen. Offenbar wagten sich die Menschen seit dem Auftauchen der Dämonen nicht mehr auf die Straße. Die wenigen, die sich außerhalb der eigenen vier Wände aufhielten, versammelten sich auf den Dächern und beobachteten die Luftschlacht vor der Küste.
Es war nicht weit bis zur Kupferstraße, die die Altstadt vom Kessel trennte. Jackon und Lucien verbargen sich hinter einer Hausecke und beobachteten die Gassen, die von der breiten Allee zum Industrieviertel führten. Jede war mit einer bewachten Straßensperre abgeriegelt.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Jackon. »Wenn die Soldaten uns sehen, verhaften sie uns.«
»Wir gehen durch die Katakomben. Vielleicht haben wir Glück und finden einen Tunnel, der beim Erdbeben nicht eingestürzt ist. Siehst du die Weberei da drüben? In ihrem Keller gab es früher einen Zugang.«
Sie rannten über die Straße. Von Norden kamen mehrere Soldaten anmarschiert. Rasch schlüpften sie in das Hoftor der Manufaktur und versteckten sich hinter einem Stapel Kisten, bis der Trupp verschwunden war.
Jackon sah sich um. Die Weberei schien menschenleer zu sein. Im Hof herrschte ein heilloses Durcheinander aus Karren, vom Regen durchweichten Tuchballen und Werkzeug. Offenbar hatten die Arbeiter alles stehen und liegen gelassen, als die Dämonen gekommen waren.
Plötzlich trat eine Gestalt aus den Schatten.
»Umbra«, hauchte Jackon fassungslos.
»Großartig. Die hat uns gerade noch gefehlt.« Lucien zog sein Messer.
Umbra hob die Arme, als wollte sie sich ergeben, und kam langsam näher. »Ich will euch nichts tun. Lasst uns reden.«
»Bleib, wo du
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