Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
kamen aus den Nachbarräumen — und plötzlich herrschte eine Stimmung wie in einer Gerichtsverhandlung, fand Vivana.
»Und zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?«, fragte Lucien.
»Er sollte bestraft werden.«
»Und du glaubst, das würde etwas ändern? Was passiert ist, ist nun einmal passiert.«
»Es wäre gerecht«, sagte Sandor scharf.
»Ich weiß nicht«, mischte sich Liam ein. »Er hat uns immerhin aus dem Gefängnis befreit. Und Lucien hat er auch gerettet.«
»Na und?«, wandte der Manusch ein. »Er hat uns verraten. Seinetwegen wurde Livia ermordet.«
Blass und schweigend hörte Jackon der Diskussion zu. Er schien sich völlig seinem Schicksal zu ergeben. Vivana wusste nicht, ob sie ihn dafür bewundern oder verachten sollte. Überhaupt waren ihre Gefühle ihm gegenüber höchst widersprüchlich. Sie empfand nach wie vor eine Wut auf ihn, die an Hass grenzte. Sie bezweifelte jedoch, dass Rache und Vergeltung auch nur eines ihrer Probleme lösten. Außerdem fragte sie sich,
wie
Sandor Jackon bestrafen wollte. Wollte er ihn auspeitschen? Ihn hinrichten? Schon die Vorstellung war absurd.
»Was meinen die anderen?«, fragte Lucien in die Runde. »Seid ihr auch der Ansicht, dass Jackon zur Rechenschaft gezogen werden sollte?«
»Ich finde, Madalin soll das entscheiden«, antwortete Vivanas Vater.
Alle Augen richteten sich auf den hochgewachsenen Manusch. Vivana erwartete, dass er sich Sandor und Jovan anschloss und für eine Bestrafung Jackons aussprach, so wie sie es an seiner Stelle vermutlich getan hätte. Stattdessen sagte er: »Diese Diskussion ist unserer unwürdig. Wir machen uns lächerlich, wenn wir nicht damit aufhören.«
»Aber Livia ...« , begann Sandor von Neuem, ehe Madalin ihn unterbrach: »Amander hat sie getötet. Nicht Jackon.«
»Jackon hat Corvas und seine Leute zu uns geführt«, sagte Vivanas Vater.
»Weil Lady Sarka ihn dazu gezwungen hat«, gab der Manusch zu bedenken. »Schaut ihn euch doch an. Er ist noch ein Junge. Was hätte er denn tun sollen?«
Stille schloss sich diesen Worten an. Für Madalin war damit offenbar alles gesagt, und er ging zurück zu den Kindern. In diesem Moment wünschte Vivana, sie könnte so sein wie er. Er war einfach nicht dazu fähig, andere Menschen zu hassen. Nicht einmal jetzt.
»Trotzdem«, sagte ihr Vater nach einer Weile. »Wir können das nicht einfach auf sich beruhen lassen und so tun, als wäre nichts geschehen.«
»Uns bleibt aber nichts anderes übrig«, meinte Lucien. »Ich glaube, ihr habt etwas Wichtiges vergessen: Wir brauchen Jackon.«
»Wofür?«, fragte Nedjo.
Plötzlich wurde Vivana klar, warum ihr der ganze Streit so sinnlos vorkam. Die Situation war wesentlich komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussah. »Er ist der Einzige, der vielleicht etwas gegen den Verfall der Traumlanden ausrichten kann«, antwortete sie an Luciens Stelle. »Ohne ihn sind wir machtlos gegen Lady Sarka.«
Wieder kehrte Stille ein, als die Gefährten darüber nachdachten.
»Was heißt
vielleicht?«,
fragte Nedjo schließlich. »Kann er, oder kann er nicht?«
Lucien wandte sich an Jackon. »Wärst du bereit, Lady Sarka in den Traumlanden anzugreifen?«
Der Rothaarige schien seine Worte genau abzuwägen, bevor er antwortete. »Ja, wäre ich. Leider gibt es da ein Problem. Ich habe meine Kräfte verloren.«
»Du auch?«, fragte Vivana überrascht.
Lucien streifte Jackon mit einem Blick. Offenbar war er nicht glücklich darüber, dass der Rothaarige diesen Punkt angesprochen hatte. »Silas Torne hat uns beide verletzt. Aber es waren nur Kratzer. Unsere Kräfte müssten bald zurückkehren.«
»Silas Torne?«, wiederholte Vivanas Vater. »Ich glaube, ich habe da etwas nicht mitbekommen.«
In knappen Worten erzählte Lucien, wie Jackon und er bei ihrer Flucht aus dem Palast von dem Alchymisten angegriffen worden waren und wie dieser ihnen mit einem speziellen Messer die Kräfte geraubt hatte. »Jedenfalls dauert es höchstens ein paar Wochen, bis er seine Traumfähigkeiten wiederhat«, schloss er.
Ein paar Wochen,
dachte Vivana mutlos. Sie bezweifelte, dass ihnen noch so viel Zeit blieb.
»Gut. Wir brauchen ihn also«, sagte Sandor, den diese Aussicht nicht gerade zu begeistern schien. »Bleibt das Problem, dass wir nicht wissen, ob wir ihm trauen können.«
Auf dem Weg hierher hatte Vivana lange darüber gegrübelt. Vielleicht konnte sie dieses Problem ein für alle Mal aus der Welt schaffen. »Ich glaube, ich kann herausfinden, ob
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