Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
von dir.«
»Das war ich euch schuldig.«
»Als Vivana dich befragt hat, da hast du etwas gesagt. Über mich. Hast du das wirklich so gemeint?«
»Was habe ich denn gesagt? Tut mir leid, ich kann mich kaum daran erinnern.«
»Dass ich der einzige Freund war, den du jemals hattest«, antwortete Liam verlegen.
»Ja«, sagte Jackon. »Ja, das habe ich so gemeint.«
»Das wusste ich nicht.«
Jackon nahm all seinen Mut zusammen und fragte: »Meinst du, wir können irgendwann wieder Freunde sein?«
Liam dachte lange nach, bevor er antwortete. »Ich weiß es nicht. Es ist viel passiert.«
»Glaubst du auch, dass ich schuld daran bin, dass Vivanas Tante tot ist?«
»Nein. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die anderen das auch nicht denken.«
»Aber sie haben es gesagt.«
»Sie waren wütend. Da sagt man eben solche Sachen.«
»Ja, vielleicht«, murmelte Jackon ohne echte Überzeugung.
Wieder schwiegen sie.
»Na ja«, sagte Liam und stand auf »Ich schätze, ich sollte dich jetzt schlafen lassen. Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen. Also dann, gute Nacht.«
Nachdem er gegangen war, legte sich Jackon hin und starrte an die Kellerdecke. Er kam sich vor wie ein Narr. Wie hatte er nur annehmen können, Liam wolle wieder mit ihm befreundet sein? Er war es nicht wert, jemandes Freund zu sein.
Er fiel in einen unruhigen Schlaf. In seinen Träumen wanderte er eine endlose Straße entlang und erreichte niemals sein Ziel, so sehr er sich auch anstrengte.
Vorsichtig, um Nedjo, Sandor und Jovan nicht zu wecken, durchquerte Liam den Eingangsraum. Stille herrschte in dem alten Kellergewölbe, denn auch der Rest seiner Gefährten schlief bereits — er hörte ihr gleichmäßiges Atmen aus den angrenzenden Kammern. Sogar Lucien, der viel weniger Schlaf als ein Mensch brauchte, hatte sich hingelegt. Die Ereignisse des Tages hatten sie alle tief erschöpft.
Auch Liam war todmüde, doch er wusste, dass er so bald keinen Schlaf finden würde. Er war viel zu aufgewühlt. Damit er auf andere Gedanken kam, sah er nach den beiden Lampen, die sie zum Schutz gegen die Ghule angelassen hatten. Eine flackerte bedenklich. Vermutlich hatte sie bei ihrem Gewaltmarsch durch die Katakomben einen Stoß abgekommen und gab bald den Geist auf.
Er drehte sie herunter, setzte sich und schraubte das Gehäuse mit Nedjos Messer auf. Wie sich herausstellte, war Dreck in das Gasventil gekommen. Nachdem er es gereinigt hatte, funktionierte die Lampe wieder einwandfrei, und er stellte sie zu der anderen neben den Kellereingang. Das Licht war hell genug, dass es selbst den hungrigsten Ghul fernhalten sollte, entschied er. Und falls nicht, war da immer noch Ruac. Der Lindwurm hatte sich so vor dem Eingang zusammengerollt, dass sein Kopf auf der Schwanzspitze lag. Mit einem halb offenen Auge beobachtete er den Tunnel.
Die vergangenen Stunden waren so chaotisch gewesen, dass Liam noch keine Gelegenheit gehabt hatte, Ruac richtig zu betrachten. Innerhalb weniger Tage war aus dem kleinen Tatzelwurm ein mächtiges Geschöpf aus Mythen und Legenden geworden. Sogar Flügel waren ihm gewachsen.
Unglaublich. Wie so vieles in den letzten Wochen.
Ruac gähnte so herzhaft, dass Liam es ihm unwillkürlich gleichtat. Er sollte wirklich schlafen gehen. Die nächsten Tage würden gewiss nicht weniger anstrengend werden als dieser.
Er schlurfte zu seiner Kammer, zog seine Schuhe aus und legte sich hin. Gerade als er sich in seine Decke eingewickelt hatte, erschien ein Schemen im Eingang.
»Hey«, sagte Vivana. »Du bist ja noch wach.«
»Ich konnte nicht schlafen.«
»Ich auch nicht.« Zögernd kam sie herein. »Ich habe dich gehört und dachte, ich schaue mal, wie es dir geht.«
Sie setzte sich und hielt dabei die Decke fest, die sie sich um den Körper gewickelt hatte. Darunter trug sie ein Hemd ihres Vaters, das ihr viel zu groß war. Ihre Beine waren nackt.
»Ich bin in Ordnung. Und du?«
»Ja. Schon. Wie man es nach so einem Tag eben sein kann.«
Sie war alles andere als in Ordnung, er sah es ihr an. Kein Wunder. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ihre Tante gestorben war, musste sie auch noch mit Dingen fertigwerden, die er nicht einmal im Ansatz verstand. Und dass die Manusch nun Livias Nachfolgerin in ihr sahen und offenbar von ihr erwarteten, dass sie sie durch die Gefahren der Zukunft führen würde, machte es nicht einfacher für sie.
»Komm her«, sagte er, setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie
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