Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
Schleier aus silbrigem Staub, der matt in der Luft aufleuchtete und sich wie ein Schwarm neugieriger Glühwürmchen überall auf ihrem Körper niederließ. Vivana rollte sich herum und lenkte einen Teil der magischen Kraft in Richtung ihrer Gefährten. Weitere Staubschleier wirbelten durch den Saal und legten sich schützend um Liam, Lucien und ihren Vater.
Keine halbe Sekunde später schossen die Nebelhände vor. Doch als sie Vivana berührten, zuckten sie zurück. Auch ihren Gefährten konnten die Spiegelgeister nichts mehr anhaben. Die Bleichen Männer heulten vor Pein, als erlitten sie unsagbare Qualen, wenn sie nur in die Nähe des schimmernden Staubs kamen.
Lucien stürzte zu ihr und half ihr auf. Der Zauber hatte sie so erschöpft, dass sie sich auf ihn stützen musste, während sie zum Ausgang des Saales hasteten.
Kommt zurück, heulten die Bleichen Männer. Betrüger! Diebe! Kommt zurück!
Was dann geschah, erlebte sie wie in Trance. Geschrei erfüllte den Tunnel, hallte von den Wänden wider. Vivana fand einen letzten Rest Kraft in sich und rannte so schnell sie konnte. Liam lief neben ihr, Schüsse donnerten, sie hörte ihren Vater etwas rufen. Sie kam zur Treppe, nahm mehrere Stufen auf einmal, stürzte, kroch auf Händen und Knien weiter. Irgendwann sah sie Tageslicht, spürte Gras unter ihren Fingern. Zwischen dem Gestrüpp ließ sie sich fallen und atmete gierig die frische Waldluft ein.
Das Geheul der Spiegelgeister drang aus dem Brunnenschacht, aber es war so leise, als käme es aus weiter Ferne.
Liam, ihr Vater und Lucien lagen neben ihr im Gras, atmeten schwer. Sie waren wohlauf. Wohlauf und unversehrt.
Vivana bemerkte, dass etwas an ihrem rechten Handteller klebte. Ruß. Die Überreste der Perle, die zu Staub zerfallen war.
Wir haben es geschafft,
dachte sie.
Geschafft.
Irgendwann erhob sich Lucien und wischte Gras und Erde von seinem Wams. »Kannst du aufstehen?«
Vivana setzte sich auf. Der Zauber hatte lange nicht so von ihren Kräften gezehrt wie der Lichtblitz, den sie im Pandæmonium beschworen hatte. Ihr war noch etwas schwindelig, aber die Erschöpfung verschwand bereits. »Ja. So schlimm ist es nicht.«
»Gut. Dann lasst uns gehen. Ich will mich hier nicht länger als nötig aufhalten.«
Sie rappelten sich auf, sammelten die Lampe und die beiden Pistolen ein und stapften los. Die Wirkung des Schutzzaubers ließ bereits nach. Das Leuchten der Staubpartikel wurde schwächer und schwächer und verschwand kurz darauf.
Als sie die Mauer erreichten, stieß Vivanas Vater plötzlich einen Fluch aus, riss seine Pistole hoch und drückte ab. Anstelle eines Schusses erklang jedoch nur ein metallisches Klicken — es waren keine Kugeln mehr im Lauf.
Im gleichen Moment entdeckte Vivana die Krähe. Das Tier saß auf einem Ast, flog auf — und veränderte in der Luft seine Gestalt. Alles ging so schnell, dass Vivana nichts anderes tun konnte, als wie erstarrt dazustehen. Aus Schwingen wurden Arme, aus Krallenfüße Beine, der Vogelkörper wuchs und verwandelte sich in Corvas, während er auf dem Boden aufkam.
Lucien war der Einzige, der reagierte. Während Corvas sich aufrichtete, sprang er vor und versetzte dem Bleichen einen Tritt gegen die Brust, der ihn ins Gestrüpp schleuderte.
»Weg hier!«, schrie Liam, packte ihre Hand und zog sie mit sich.
Das ist unmöglich,
durchfuhr es Vivana.
Wir waren doch so vorsichtig. Er
kann
uns nicht gefunden haben!
»Du zuerst!« Liam verschränkte die Hände zu einer Räuberleiter, sie stellte ihren Fuß hinein, griff nach den Eisenspitzen und zog sich mit Liams Hilfe hoch. Als sie mit dem Knie auf der Mauerkrone Halt gefunden hatte, richtete sie sich auf und sprang auf der anderen Seite herunter.
Zwei Gestalten kamen durch das Unterholz auf sie zugelaufen, in den Händen Pistolen. Vivana stockte der Atem, als sie sie erkannte.
Umbra und Amander.
19
Zwei Tropfen Macht
D iesmal hatte es funktioniert. Sie konnte es spüren. Die ganze Apparatur stand unter Druck wie ein Heizkessel kurz vor dem Explodieren. Kolben vibrierten. Destilliergläser klirrten. Der Athanor war so heiß, dass er beinahe glühte. Sie öffnete sämtliche Ventile, zischend entwich Dampf und schoss zur Höhlendecke hinauf.
Fast.
Fast.
Ihre Maske beschlug. Halb blind tastete sie über den Tisch, fand einen Lappen und wischte den Augenschutz ab. Dann öffnete sie die Ofenklappe und biss die Zähne zusammen. Die Hitze war so intensiv, dass sie sich trotz der Lederhandschuhe
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