Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
müssen sofort hier raus!«, brüllte Nedjo. Er packte Jackon am Arm und bahnte sich hustend einen Weg durch den Staub.
»Und die Soldaten?«
»Zum Teufel mit ihnen! Wenn wir in den Tunneln bleiben, ist das unser Tod.«
Noch ein Beben. Sie kämpften sich die Stufen zum Eingang des Verstecks hinauf. Drinnen lichtete sich der Staub, und sie erblickten Godfrey und Ruac, die sich rechtzeitig in den Eingangsraum zurückgezogen hatten. Auf den ersten Blick sah es so aus, als hätte der Gewölbekeller den Erdstößen widerstanden. Doch dann entdeckte Jackon einen Riss, der quer über die Decke verlief. Lange würde das Mauerwerk nicht mehr halten.
»Zur Treppe«, sagte Nedjo und zog seinen Dolch. »Kämpfen wir uns den Weg frei.«
Jackon ergriff das erstbeste Messer, das er finden konnte, und rannte seinen Gefährten nach. Das Beben war schwächer geworden. Nach wie vor ließen Erdstöße den Boden erzittern, jedoch nicht mehr so stark, dass er das Gleichgewicht verlor.
Entgegen Jackons Hoffnung waren die Geheimpolizisten nicht geflohen, als das Erdbeben angefangen hatte. Sie hatten die Tür aufgebrochen und kamen mit gezückten Hakenlanzen und Pistolen die Treppe herunter. Nedjo wollte sich ihnen entgegenwerfen, wurde jedoch zur Seite gestoßen, als Ruac auf die Männer zuschoss.
Die Soldaten begannen vor Entsetzen zu schreien. Einige feuerten wild drauflos, jedoch ohne den Lindwurm zu verletzen, die anderen suchten ihr Heil in der Flucht. Augenblicklich herrschte auf der engen Treppe das Chaos. Männer stolperten die Stufen hinauf und fielen dabei übereinander.
Ruac schnappte nach dem vordersten Soldaten, erwischte ihn am Arm und schleuderte ihn mit einer Drehung seines Kopfes so heftig herum, dass er gegen die Wand prallte und bewusstlos zu Boden fiel. Ruac wollte sich den nächsten vornehmen, als Jackon rief: »Hör auf Sie fliehen doch schon.«
Der Lindwurm hörte nicht auf ihn. Er spreizte die Flügel, machte einen Satz durch die Luft und landete auf dem unteren Drittel der Treppe, was die Soldaten in ihrem Entschluss bestärkte, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Drängelnd stürmten sie zur Tür. Ruac legte die Flügel an und verfolgte sie nach draußen.
Jackon wankte, als abermals der Boden bebte. In den Mauern knirschte es, und im Nachbarraum fiel ein Stein von der Decke. Er nahm die Beine in die Hand, rannte die Stufen hinauf und gelangte ins Innere des Wasserturms. Das Bauwerk war vollkommen leer. Licht fiel durch einige Fensterschlitze hoch üher ihm. Rostige Halterungen, die aus den Wänden ragten, deuteten darauf hin, dass es hier einst Pumpen, riesige Wasserbehälter und Eisenstiegen gegeben hatte.
Von den Soldaten keine Spur. Eine Tür stand offen. Von Ruac, der gerade nach draußen schoss, sah Jackon nur noch die Schwanzspitze.
Nun kamen auch Nedjo und Godfrey die Treppe herauf. Im gleichen Moment erschütterte ein Erdstoß den Turm. Ziegel fielen vom löchrigen Dach und zerplatzten keine zwei Schritt von Jackon entfernt auf dem Boden. Er flitzte nach draußen, wo ihn ein unbeschreibliches Chaos erwartete.
Weinende Menschen irrten auf der Straße umher. Viele der baufälligen oder mit einfachsten Mitteln errichteten Hütten der Grambeuge waren durch das Beben wie Kartenhäuser in sich zusammengefallen und hatten die Bewohner unter Trümmern begraben. Staub erfüllte die Luft.
Nedjo blickte sich erschüttert um. Auch in Godfreys Gesicht, dessen Miene sonst nie etwas preisgab, glaubte Jackon Entsetzen zu sehen.
»Wo sind die Soldaten?«, fragte der Manusch.
»Keine Ahnung. Weggelaufen.« Auch von Ruac war nichts zu sehen.
Ein neuer Erdstoß erinnerte sie daran, dass sie noch lange nicht in Sicherheit waren. Ziegel rutschten von den Dächern. Von einem alten Stadthaus in der Nähe brach der Erker ab und zerschellte auf der Straße. Die Leute schrien.
»Zum Hügel«, sagte Godfrey. »Ich glaube, dort ist es nicht ganz so schlimm.«
»Was ist mit Ruac?«, stieß Jackon hervor.
»Er findet uns schon. Jetzt komm!«
Der Wasserturm stand auf halbem Weg zwischen dem Rattennest und dem Chymischen Weg. Nur ein paar Blocks nördlich davon, am äußersten Rand der Grambeuge, erhob sich einer der drei Hügel, die den Kessel umgaben. Dorthin rannten sie, vorbei an zerstörten Gebäuden und verzweifelten Menschen. Es gab noch einmal einen heftigen Erdstoß, der sie von den Füßen riss und eine der mehrstöckigen Mietskasernen, die sich an die Hügelflanke klammerten, in einer gewaltigen
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