Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
suchten Deckung hinter einem Mauervorsprung. Das verschaffte den Gefährten genug Zeit, um zur benachbarten Gasse zu laufen.
Die Hatz durch den Wald und die Gärten hatte Liam so sehr erschöpft, dass jeder Atemzug wie Feuer in seinen Lungen brannte. Er spürte, wie ihn allmählich die Kräfte verließen. Seinen Freunden ging es ähnlich. Quindal war knallrot im Gesicht, und Vivana klebten schweißfeuchte Haarsträhnen an Wangen und Hals. Lange würden sie dieses Tempo nicht mehr durchhalten.
Nur noch ein paar Häuserblocks,
dachte Liam. Wenn sie erst in den Gassen waren, mit all dem Durcheinander und den vielen Menschen, konnten sie ihre Verfolger vielleicht abschütteln.
Lucien war der Einzige, der keinerlei Anzeichen von Ermüdung erkennen ließ. Leichtfüßig rannte er voraus. Aus weiter Ferne hörte Liam ein Grollen, und plötzlich war ihm, als hebe sich das Pflaster empor. Er stolperte und prallte gegen die Hauswand. Ziegel rutschten von den Dachschrägen und zersplitterten auf dem Boden.
Gleichzeitig bemerkte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Er wirbelte herum und sah Corvas, der sich wenige Schritt von ihm entfernt, am Eingang der Gasse, in Menschengestalt zurückverwandelte. Der Boden bebte noch immer. Liam ruderte mit den Armen und fiel auf sein Hinterteil. Corvas kam mit flatterndem Mantel auf ihn zu.
Liam wusste, dass er es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde aufzustehen, bevor der Bleiche bei ihm war. Hinter ihm rief jemand seinen Namen, und er sah Vivana zu ihm stürzen. Hastig riss er seine doppelläufige Pistole aus dem Gürtel und drückte ab. Nichts geschah. Er hatte bereits beide Kugeln im Spiegelsaal der Bleichen Männer verschossen und seither keine Zeit gefunden, sie nachzuladen.
Verdammte Pistolen! Brachten ihm nichts als Pech.
Er schleuderte Corvas die Waffe entgegen, zwang den Bleichen, den Kopf einzuziehen, und federte hoch. Wieder erzitterte die Erde. Ein Knirschen erklang. Liam sah nach oben, während er zurücktaumelte. Im Mauerwerk des Hauses zu seiner Rechten hatten sich tiefe Risse gebildet. Das Ecktürmchen sackte nach unten weg und kippte in die Gasse.
In diesem Moment packte Vivana seinen Arm und zog ihn nach hinten. Keinen Wimpernschlag später fiel das Türmchen an der Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, mit einem lauten Krachen zu Boden und zerbarst. Corvas sprang zurück und verschwand in einer Wolke aus Staub. Hand in Hand rannten Liam und Vivana ihren Gefährten nach.
Kurz darauf befanden sie sich mitten in Scotia. Überall Panik, Verzweiflung, weinende Menschen. Schutt und Trümmer bedeckten die Straßen. Wie durch ein Wunder gelang es Liam, seine Freunde nicht aus den Augen zu verlieren.
»Schnell, da hinein«, sagte Lucien und dirigierte sie zu einer offenen Tür. Rasch betrachtete Liam die Fassade des Hauses, bevor er dem Alb folgte. Eine Taverne. Sie sah einigermaßen intakt aus, trotzdem war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, im Innern eines Gebäudes Zuflucht zu suchen. Mehrere Häuser in der Nachbarschaft waren eingestürzt.
»Was ist mit dem Erdbeben?«
»Ich glaube, es hat aufgehört. Kopf runter!«
Sie duckten sich unter dem vorderen Fenster des Schankraums. Vorsichtig spähte Liam hinaus und erblickte einen staubbedeckten Corvas, der auf der Straße mit Umbra und Amander zusammentraf. Die drei brüllten sich an und gestikulierten wild und liefen schließlich die Straße hinunter.
Liam schloss die Augen und ließ seinen Kopf gegen die Wand sinken. Sie hatten es geschafft. Sie waren in Sicherheit.
Vivana, Quindal und er waren so außer Atem, dass sie eine ganze Weile nicht sprachen. Liam betrachtete die Verwüstung draußen. Erst jetzt begriff er, was in der vergangenen halben Stunde geschehen war: Eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes war über Scotia hereingebrochen, wahrscheinlich sogar über ganz Bradost. Vermutlich hatten unzählige Menschen ihr Leben verloren und noch viel mehr all ihr Hab und Gut. Liam biss sich auf die Lippen. Als ob die Leute nicht schon genug gelitten hätten ...
Seine Gefährten schienen ähnliche Gedanken zu hegen, ihren Mienen nach zu schließen. »Ein Erdbeben.« Quindal schüttelte fassungslos den Kopf. »Das hat es in Bradost noch nie gegeben. In den ganzen zweitausend Jahren seiner Geschichte nicht.«
»Das war kein normales Erdbeben«, sagte Lucien.
»Nicht?«, fragte Liam. »Was dann?«
Der Alb gab keine Antwort. Er stand auf. »Kommt. Wir müssen zum Versteck und herausfinden, ob die anderen
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