Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
plötzlich, dass ihn seine ungewöhnlichen Fähigkeiten quälten.
»Ich ertrage es nicht mehr. Anfangs glaubte ich an eine zweite Chance in meinem Leben. Ich spürte und sah Dinge, die ich zuvor nie wahrgenommen hatte. Und jetzt sind die schwarzen Wolken überall in der Stadt.«
»Wo?«
»Wohin ich auch schaue. In den U-Bahnen, den Parks, auf der Straße. Sie werden die Menschen verwandeln.«
»Was können wir dagegen tun?«
»Nichts«, antwortete der müde, alte Mann und starrte dabei auf die Pillenpackungen.
16
BANGKOK, SUVARNABHUMI AIRPORT,
28. NOVEMBER
Peter Schanz blickte immer noch voller Zorn auf seinen Aufenthalt in Thailand zurück, als er nachts um halb drei durch das Flughafengebäude in Bangkok marschierte.
Eigentlich hatte er sich um nichts anderes als um die Gewinnmaximierung seiner Firma kümmern wollen, doch die letzten beiden Tage war er gezwungen gewesen, sich mit den, wie er das nannte, »Begehrlichkeiten seiner Arbeiter« herumzuschlagen. Und dafür war er schlichtweg der falsche Mann. Bei geschäftlichen Verhandlungen verstand er es immer, durch seine souveräne und höfliche Art die andere Seite für sich zu gewinnen. Im Umgang mit den eigenen Angestellten und Arbeitern fehlte ihm jedoch jegliche emotionale Intelligenz. Bei Gesprächen mit ihnen war er nicht in der Lage, seine Gefühle zu kontrollieren, und rastete jedes Mal aus, wenn die untergebenen Mitarbeiter nicht so spurten, wie er es erwartete.
Hatten sie nicht extra die Fabrik in ein Niedriglohnland outgesourct, um lästige Debatten über Lohnerhöhungen ein für alle Mal vom Tisch zu haben? Und jetzt fingen sie auch hier schon an, höhere Löhne zu fordern. Seine erste Reaktion darauf war der Gedanke gewesen: Dann ziehen wir eben in ein anderes Land weiter. Er hatte zunächst die Vorarbeiter angeschrien und sie zur Sau gemacht, doch um des lieben Betriebsfriedens willen war er schließlich eingeknickt und hatte sich auf eine geringe Erhöhung des Lohns eingelassen. Um das bezahlen zu können, musste jetzt eben an einer anderen Stelle gespart werden; nun, da bot sich halt die technische Überholung und Sicherheit der Maschinen an. Er wusste jetzt schon, dass das Geschrei groß sein würde, wenn durch die alten Stanzmaschinen die Finger des einen oder anderen Arbeiters zerquetscht würden. Aber was soll’s , sie haben’s nicht anders gewollt .
Die Debatte hatte – und das war eigentlich das Ärgerlichste an der ganzen Angelegenheit gewesen – seinen Sexdrive auf Zero heruntergeschraubt. Die letzten Tage hatte er mit keiner einzigen Nutte gevögelt und war frustriert und früh ins Bett gegangen.
Er erreichte nun den Check-in der First Class und musste unwillkürlich auf die Titten der Mitarbeiterin der Fluggesellschaft starren. Die junge Frau lächelte ihn an und fragte, ob sein vorab gebuchter Sitzplatz für ihn in Ordnung sei. Er nickte und nahm sein Ticket entgegen. Bevor es endgültig nach Berlin zurückging, würde er noch einen kurzen Zwischenstopp in Dubai einlegen und dort in einem Hotel in der Nähe des Flughafens die Einkäufer einer bedeutenden Kaufhauskette treffen, um mit ihnen die Konditionen für den Verkauf einer größeren Menge an Taschen auszuhandeln.
Als Nächstes rollte er mit seinem Bordgepäck in Richtung Passkontrolle. Er hatte einen Businesstrolley aus Edelmetall bei sich, auf dem oben eine Shoppingtüte stand, in der sich ein Parfum und ein Hermès-Schal für seine Frau befanden; beide Geschenke hatte er kurz zuvor noch in Bangkoks Luxustempel Siam Paragon gekauft.
Der Beamte inspizierte seiner Meinung nach etwas zu lange seine Papiere; und für einen kurzen Moment befürchtete er, dass ihn die kleine Nutte, die er vergewaltigt hatte, bei der Polizei verpfiffen haben könnte. Der kurze Anflug von Angst legte sich schnell wieder, als der Beamte ihm die Papiere zurückgab und einen guten Flug wünschte.
In der Lounge aß er zwei Sandwiches mit Thunfischpaste, trank einen Tomatensaft mit Salz und Pfeffer und blätterte durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung . Bevor er sich zum Gate aufmachte, überpüfte er noch einmal die neuen Mails auf seinem Tablet-PC. Das dubiose Netzwerk hatte ihm in den letzten zwei Tagen immer wieder Reminder geschickt:
I Share Evil
Reminder: Gustaf Gross invited you to join him as a friend on I Share Evil
Invite sent:November 24
Er klickte auf die Mail und wollte sie wie schon die anderen Reminder zuvor gleich in den Papierkorb schieben, doch auf einmal zögerte
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