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Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Pandaemonium - Die Letzte Gefahr

Titel: Pandaemonium - Die Letzte Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Odin
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Stimme hinter sich sprechen. Sie drehte sich blitzschnell um. Vor ihr stand ein alter Mann mit zerfurchtem Gesicht und tief herabhängenden, dunklen Tränensäcken. Ein unangenehmer Körpergeruch stieg ihr in die Nase: Es schien, dass ihr Gegenüber sich seit längerer Zeit nicht mehr gewaschen hatte und auch kein Deo benutzte.
    »Leg ihn auf die Erde, Kenny«, forderte Witter den Jungen auf. Er ging an Naomi vorbei und streckte die Hand aus, während er sich vorsichtig auf Kenny zubewegte. »Du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen dir nur helfen.«
    Kenny reagierte überhaupt nicht und stand einfach nur da. Wie eine Figur aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Eine aus der Horrorabteilung berüchtigter Serienmörder. Seine Augen starrten regungslos geradeaus, und nicht ein einziger Gesichtsmuskel zuckte.
    Witter war bereits ganz dicht vor ihm, als Kenny auf einmal den Mund nach unten klappte und ein lautes Glucksen tief aus seinem Inneren herausdrang. Witter wich sofort zurück und zuckte zusammen, genau wie Naomi.
    Dann kam plötzlich Leben in Kenny. Er ließ den toten Hund auf die Erde fallen, schüttelte sich, so wie ein nasser Pudel sein Fell trocknete, und neigte seinen Oberkörper um 45 Grad nach vorne. Der Kopf des Jungen hing nach unten, und Speichel tropfte aus seinem Mund auf den Boden. Ungelenk setzte er einen Schritt vor den anderen; es sah aus, als würde eine Marionette an unsichtbaren Fäden vorwärtsbewegt.
    Naomi und Witter wichen entsetzt zurück. Beide erschraken ein weiteres Mal, als Kenny sich plötzlich wieder ruckartig aufrichtete und dann mit schnellen Schritten direkt auf sie zulief. Der alte Mann und das Mädchen spürten, dass sie in Gefahr waren, wenn sie sich ihm jetzt in den Weg stellten. Rasch sprangen die beiden zur Seite.
    Im nächsten Moment hastete Kenny zwischen ihnen hindurch. Er geriet ins Taumeln, gelangte dennoch zur Tür und verschwand im Haus.

15
    BERLIN-MITTE, PLATTENBAUSIEDLUNG,
27. NOVEMBER
    »Paco. Das war sein Name!« Witter zog ein bedauernswertes Gesicht, als er auf den bläulich schimmernden, durchsichtigen Plastiksack in seiner Hand hinabschaute, in den er den toten Hund gepackt hatte. Er nahm eine Schnur aus einer alten Kommode und band den Sack damit zu. »Er war nicht mal ein Jahr alt. Ein französischer Papillon. Kenny hatte sich immer so einen Hund gewünscht. Er erzählte mir mal, dass ihm vor allem die großen Ohren von Paco gefallen.«
    »Warum hat er das nur getan?« Naomi stand vor einer gelb gestreiften Tapete mit weißlichen Blumenmustern, die wohl vor Jahrzehnten angebracht und seitdem nicht erneuert worden war. Durch den jahrelangen Zigarettenqualm – das Ehepaar Witter hatte früher sehr stark geraucht – hatte sich ein dicker, schmutzig-gelber Film auf der altmodischen Tapete gebildet.
    Witter öffnete die Balkontür und legte den Sack mit Paco neben einen Sonnenschirmständer, der mit Schmutz und Staub überzogen und an einigen Stellen schon angerostet war. Dann schloss er wieder die Tür und sah das Mädchen nachdenklich an. Bevor er ihr antwortete, überlegte er kurz, ob er Naomi ins Vertrauen ziehen konnte.
    Er schnürte den Gürtel um seinen Bademantel enger, bevor er sich in seinen Sessel am Fenster setzte, sich räusperte und erklärte: »Die Wolke hat ihn von innen aufgefressen. Genauso wie die alte Frau.«
    Naomi schaute ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Sie dachte keine Sekunde daran, seine Antwort als die Äußerung eines geisteskranken, alten Mannes abzutun. Sie hatte schließlich mit eigenen Augen gesehen, wie Johanna Wedkind gestorben war; und vor wenigen Minuten hatte sie das gleiche grausame Glucksen wie bei der alten Dame ein zweites Mal gehört – aus dem Körper des armen Kenny. »Was für eine Wolke? Wovon sprechen Sie?«, fragte sie nur.
    »Eine, die anders ist als diejenigen, die ich seit einiger Zeit über den Köpfen der Menschen sehe.«
    »Sie sehen Wolken über den Köpfen der Menschen?«
    »Ja.«
    »Wie kommt das?«
    »Ich weiß es nicht. Anfangs dachte ich, es hat mit dem Tumor in meinem Kopf zu tun.«
    »Was für eine Wolke sehen sie über meinem Kopf?«
    »Sie fließt … ist andauernd in Bewegung. Mal bunt. Dann wieder grau.« Witter blickte noch einen Moment darauf, dann ließ er den Kopf sinken.
    Naomis Blick fiel auf den Haufen Tablettenschachteln auf dem Tisch, und ihr wurde etwas klar. Sie sagte in einem merkwürdig unaufgeregten Tonfall: »Sie wollten sich umbringen, nicht wahr?« Naomi wusste

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