Pandoras Kuss
verruchtes Hexchen wischte sich die Äuglein vom Schlafsand frei und sah sich interessiert um. Obwohl sie Persephones Anwesenheit mit einer gewissen Genugtuung registrierte, schien sie verwirrt über die Wahl dieses Treffpunkts. Die Boutique, so niedlich und einladend sie sein mochte, schien, gemessen an Persephones üblichen Standards, ungewöhnlich gewöhnlich.
Andererseits war der Abend noch jung und die dunkle Fee stets für eine böse Überraschung gut.
Das Mädchen im Schottenrock schloss die Ladentür und hängte ein „Geschlossen“ -Schild ins Schaufenster. Die kleine Hexe nahm es als ermutigendes Zeichen. Ich fragte mich allerdings ob das so klug war.
„Wie erfreulich, dass Sie es geschafft haben , Mademoiselle“, bemerkte Persephone.
Als ob ich irgendeine Wahl gehabt hätte, nachdem sie mir ihre Limousine vor die Haustür gestellt hatte.
„Ich bin nicht sicher , ob ich mich freue Sie zu sehen. Aber wenn ich schon mal hier bin - danke für nichts“, antwortete ich und rammte die Hände in die Taschen meines Trenchcoats.
Persephone lächelte trotzdem weiter.
Auf ihrem Faulenzerdiwan setzte sich meine kleine verruchte Hexe empört auf. Es gefiel ihr nicht, wie ich mit der dunklen Fee umsprang. Aber das war mir gleich. Sie sollte ruhig spüren, dass ich nicht begeistert davon war hier zu sein. Jedenfalls nicht unter diesen Umständen. (Und, dass ein gewisser Monsieur Rava sich etwa hier irgendwo in einer der Umkleiden oder dem Hinterzimmer verbarg, fand selbst mein schamloses inneres Hexchen unwahrscheinlich.).
Die dunkle Fee und ich sahen uns eine Weile schweigend an. Nicht wirklich feindselig, eher abschätzend.
„Ich hoffe, Ngoma haben meine Pumps Freude bereitet?“, versuchte ich mich schließlich doch noch an ein bisschen Smalltalk.
„Oh ja. Er war zu schüchtern sich persönlich zu bedanken. Zumal … er weiß , dass ich es ihm wahrscheinlich nicht gestatten würde.“
Ganz bestimmt.
„Du sollst keine anderen Göttinnen haben neben mir“, zitierte ich aus dem Buch der Bücher.
„Machen Sie sich keine Gedanken, Mademoiselle. Es braucht schon mehr als einen breiten Arsch und ein loses Mundwerk , um einen Mann wie Ngoma zu beeindrucken. Sie sind völlig sicher in seiner Gegenwart“, antwortete Persephone begleitet von einem ihrer distanzierten Eisfachblicke.
Hm, das war die längste Ansage, die sie je gemacht hatte, und sie hatte dabei ihre Contenance verloren. Oder wie sonst sollte ich ihre Verwendung des Begriffs Arsch interpretieren? Bemerkenswert.
„Vielleicht ist Sicherheit ja das Letzte, was ich mir von seiner Gegenwart erwarte. Immerhin sind Sie niemals weit, wenn ich mit ihm zusammentreffe“ , flötete ich zuckersüß zurück.
Persephone legte ihre Zigarette in dem Aschenbecher ab.
Keine witzig sarkastische Entgegnung auf meine Provokation? Zuerst diese Ansage dann verlor sie ihre Contenance. Das konnte nur eines bedeuten: Ich ging ihr unter die Haut. Lag es vielleicht an Ravas Rettungsaktion vor einigen Tagen? Ging es ihr gegen den Strich, dass er sich offenbar für mich interessierte?
Meine Laune verbesserte sich schlagartig. Irgendwo in einer verstaubten Kammer meines Bewusstseins musste Schwester Marie-Claire gerade entrüstet und zornig im Dreieck springen, aber das war mir gleich.
Die dunkle Fee öffnete ihre kleine rote Handtasche und legte zwei Opernkarten auf den kleinen Nierentisch, der neben dem roten Samtsofa stand. Ich war kein Opernfan. Und dort auf den Karten stand „Carmen“. Sogar ich wusste, dass das eine Oper war.
Oh Heilige Mutter Gottes – die dunkle Fee wollte mich doch nicht etwa ausgerechnet in eine Oper ausführen?
Persephone warf mir einen ihrer giftigen Blicke zu.
„ Eine Premiere. Manche Leute würden einen Mord dafür begehen. Doch ich bin sicher, dass Carmen selbst für schlichtere Gemüter einen gewissen Reiz entfalten wird.“
Schlichtere Gemüter?
Ha!
Das a usgerechnet von ihr, dem Freak und der Voyeurin.
„Nun da Sie wissen, welches Ereignis Sie erwartet - sehen Sie zu, dass Sie etwas dem Anlass angemessenes finden“, sagte die dunkle Fee, nahm ihre Zigarettenspitze wieder auf und schickte einen perfekt kreisrunden Rauchring gegen die hohe Zimmerdecke.
Meine schamlose Hexe sprang mit wirbelnden Armen und zornig zusammen gekniffenen Äuglein von ihrem Diwan auf , bereit dazu der dunklen Fee die Augen auszukratzen.
Doch mit einer geradezu übermenschlichen Willensanstrengung vermochte ich es sie davon
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