Pandoras Kuss
hätte verdammt anstrengend werden können. (Selbst wenn frau erwarten durfte, dass Monsieur Rava daran irgendwie beteiligt wäre.).
Die dunkle Fee schrieb mir eine Textnachricht bevor sie Ngoma zu meinem Haus schickte. Er trug seine Chauffeuruniform samt Schirmmütze , als er mir die Tür des Mercedes öffnete.
Meine innere Hexe hob abenteuerlustig das Köpfchen um zu sehen, ob mir irgendein Nachbar zusah , gähnte ungeniert als sie feststellte, dass kein Mensch auf uns achtete.
Ich machte es mir auf dem Rücksitz bequem und versuchte nicht darüber nachzudenken , was die dunkle Fee diesmal von mir verlangen würde. Ngoma machte eine eindrucksvolle Figur hinterm Steuer. Ich fragte mich, was er wohl mit meinen alten ausgetretenen Schuhen angestellt haben mochte, die ich ihm bei unserer letzten Begegnung so großzügig zur Verfügung stellte. Doch ich traue mich nicht danach zu fragen. Meine schamlose Hexe verkroch sich schmollend zwischen die Kissen ihres Faulenzerdiwans, sie hätte es nur zu gerne erfahren.
Ngoma fuhr die Rue du Plessy hinab zum Stadtzentrum, aber bog vor der Hauptzufahrt in eine Seitenstraße ab, zwei weitere Straßenkreuzungen dann bremste er den großen Oldtimer ab und ließ ihn sacht über ein Stück Katzenkopfpflaster abrollen, bis er vor einem etwas heruntergekommenem Mietshaus zum Stehen kam. Obwohl diese Gegend nicht zum 18. Revier gehörte kannte ich sie ganz gut. Studenten und Singles lebten hier, es gab kleine Galerien, Clubs, Bars und Restaurants. Wenn ich Lust hatte allein auszugehen, landete ich meistens irgendwo hier.
Ngoma öffnete mir die Wagentür und wies auf das Haus hinter dem schmalen Vorgarten , vor dem er gestoppt hatte.
Ich trug einen blauen Minirock, eine weiße Bluse und einen kurzen Trenchcoat mit einem breiten Gürtel. Dazu die grauen Pumps, die Persephone mir für meinen Auftritt im Belle Epoque hatte zukommen lassen.
Ich dachte es sei höchste Zeit ihr vor Augen zu führen, dass ich nicht mehr dieselbe war wie zu Beginn unserer … nun ja … Bekanntschaft.
Sie hatte mit mir zu rechnen. Und zwar anders als sie sich das vermutlich erhoffte.
Ein Pärchen in bunten Outdoorjacken sah mir zu , wie ich den Wagen verließ und auf das Haus zuging. Wofür sie mich wohl hielten, fragte ich mich. Bestimmt für irgendeine der vielen höheren Töchter, die zum Studium in die Stadt kamen.
Erst jetzt sah ich, dass das Erdgeschoß des Hauses eine kleine Boutique beherbergte.
Ein Mädchen mit einer roten Punkersträhne in ihrem schwarzen Haar öffnete mir die Ladentür. Sie trug eine Nadelstreifenweste, einen kurzen rot-karierten Schottenrock und schwarze Ledersneakers. Die Weste musste mal zu einem Männeranzug gehört haben, aber stand ihr trotzdem gut. Sie war etwas größer als ich und deutlich üppiger.
Über der Ladentür stand in goldenen Lettern La Mère du Roi – Königinmutter.
Das Innere der Boutique war hell und luftig. Früher musste sich hier einmal die Conciergewohnung des Hauses befunden haben.
Die Boutique bestand aus allerlei künstlich schäbig gemachten Regalen, einer Reihe mit Spitzenvorhängen abgetrennten Umkleiden und einem abgenutzten ehemals weißen Dielenboden.
Die Kasse war uralt mit großen Zifferntasten und einer Glocke an der Seite. Überall in dem Raum waren abgenutzte Sessel und Kaffeehausstühle verteilt.
Auf einem altertümlichen roten Samtsofa saß die dunkle Fee und rauchte eine Zigarette. Sie benutzte eine Zigarettenspitze dazu , aber bei ihr wirkte es so natürlich als existierte überhaupt keine andere Art zu rauchen, als diese.
Sie trug ein schwarzes Etuikleid, das aussah als sei es noch von Coco Chan el höchstpersönlich entworfen worden. Ein Band von riesigen Perlen schmiegte sich eng um ihren Hals. Und die Perlen sahen genauso echt aus wie das schwarze Chanelkleid.
Die Sachen, die man hier anbot, waren ausgesuchte Einzelstücke. Angefangen von einem wagenradgroßen Strohhut mit Federn daran, über fragile Schnürsandalen, bis hin zu abgewetzten Lederjacken im James Dean Stil, war so ziemlich jede Moderichtung der letzten fünfzig Jahre mit mindestens einem Teil vertreten. Und nichts davon hätte frau in irgendeiner der Kaufhauskollektionen dieses Frühjahres gefunden.
Das Paradies für Frauen mit Geschmack und Kreditkartenlimits, die darauf ausgerichtet waren diesen Geschmack zu respektieren.
Die dunkle Fee nippte an einem Glas Champagner und sah mich aus ihren grauen Augen spöttisch an.
Mein
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