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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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Sariel dort unten nicht erkennen. Nirgendwo stieg Rauch auf, auch konnte Sariel keinerlei Produktionsanlagen oder Ähnliches entdecken. Wie es von hier oben aussah, war die Stadt ausgestorben. Aber das konnte täuschen.
    Sariel konnte sich nicht an der Stadt sattsehen, trotz der unbestimmten Furcht, die ihr Anblick bei ihm auslöste. Obwohl die Stadt von so weit oben friedlich wirkte. Aber auch das konnte täuschen.
    Sariel bemerkte eine plötzliche Unruhe bei Biao und suchte den Kraterrand ab nach einer Stelle für den Abstieg in die Caldera. Er war sich immer noch nicht sicher, was ihn dort unten erwartete. Vielleicht war dies ein verbotener Ort für Menschen. Vielleicht erwartete ihn dort der Tod. Aber Sariel hatte nun keine Wahl mehr.
    Nicht weit von seinem Standort entfernt entdeckte Sariel schließlich eine Art Pfad, der gewunden in die Caldera hinabführte. Ohne weiter zu zögern, stieg er wieder bei Biao auf und begann den Abstieg. Der Pfad führte immer am Rand der Caldera entlang und wurde allmählich breiter. Wie es aussah, war er mehr als nur ein Trampelpfad. Er war richtig angelegt und mit behauenen Lavasteinen gepflastert worden. Und offenbar war er auch oft benutzt worden, denn die Lavasteine am Boden wirkten ausgetreten und wie poliert. Sariel vermutete, dass der Pfad viele hundert Jahre alt war. Womöglich älter. Womöglich sehr viel älter, als Sariel sich vorstellen konnte.
    Je tiefer sie kamen, umso mehr verlor Sariel den Überblick über die Stadt, gleichzeitig aber konnte er genauere Strukturen der Gebäude erkennen. Sie schienen nicht alle aus Lava zu bestehen. Einige waren aus einem sehr hellen Sandstein gebaut, andere aus einem rötlichen Granit. Offenbar hatten die unbekannten Baumeister das Baumaterial von überallher herangetragen. Ein äußerst beschwerliches Verfahren, dachte Sariel, wo doch überall genug Lava herumlag.
    Nach zwei Stunden erreichte er den Grund der Caldera. Die Luft war kalt und immer noch sehr dünn, aber schon viel leichter zu atmen, und Sariels Kopfschmerzen ließen nach. Aus der Nähe wirkten die geometrischen Gebäude monströs und furchterregend. Eine beklemmende Stille lag über allem, wie über einem uralten Friedhof in der Novemberdämmerung. Das war es, woran die Stadt von hier unten Sariel erinnerte - einen Friedhof. Auch Biao schien es zu spüren und zögerte, weiterzugehen. Seine Hautfarbe wechselte in ein mattes Blau, schwarz gefleckt vor Beunruhigung.
    Dennoch trieb Sariel ihn entschlossen an. Sie waren so weit gegangen, um hier unten anzukommen. Jetzt mussten sie die Stadt auch betreten. Irgendwelche Straßen gab es nicht. Die Gebäude waren nach einem nicht erkennbaren Plan angelegt und dicht nebeneinandergewürfelt worden. Manchmal so dicht, dass sie fast eine unüberwindliche Mauer bildeten. Zwischendurch aber gab es immer wieder Lücken, manchmal sogar regelrechte Einschnitte. Alles in allem wirkte die Stadt aus der Nähe wie die Nachbildung eines Gebirges. Je nachdem wie die Sonne einfiel oder wie man den Kopf hielt, schien sie sich sogar unruhig hin und her zu bewegen. Sariel schob das auf irgendeinen optischen Effekt der dünnen Höhenluft. Die einzige Form von Leben, die Sariel entdecken konnte, waren Mondtränen, die überall in Massen wuchsen. Offenbar hatten sie über die Jahrhunderte allmählich Besitz von der toten Stadt ergriffen. Ihr Anblick brachte ein tröstliches Gefühl von Vertrautheit und Erleichterung zurück. Immerhin würden sie hier nicht verhungern.
    Sariel suchte sich einen breiten Einschnitt zwischen einem liegenden Kegel und einem großen Quader und zog nun in die Stadt ein. Bald erkannte er, dass in einige Gebäuden große Risse klafften, wie nach einem gewaltigen Erdbeben. Das wäre bei dieser Lage in der Mitte eines Vulkans nichts Ungewöhnliches gewesen. Niemand jedoch hatte diese Schäden je ausgebessert und nun konnte Sariel durch die Risse einen Blick ins Innere der Gebäude werfen. Sie wirkten vollkommen leer. Nicht einmal Strukturen von Stockwerken, Fluren oder irgendwelchen Räumen waren zu erkennen. Einfach nur gigantisch große, leere Hallen.
    »Warte mal!«, sagte Sariel zu Biao, als sie bereits einige der Gebäude passiert hatten, und ließ ihn halten. »Psst! Sei mal still!« Biao stellte sein unbehagliches Schnaufen ein, rührte sich nicht mehr und Sariel lauschte in die kalte Luft.
    Kein Laut. Kein einziger Laut.
    »Hier ist niemand, merkst du das? Diese ganze Stadt ist vollkommen leer!« Enttäuschung

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