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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Crow,
    es sind nicht die Jahreszeiten, die uns verfolgen, sondern die Art und Weise, wie wir uns in diesen Jahreszeiten sehen. Wir sind den Launen der sechs Welten und der unsichtbaren Großen Kraft ausgeliefert, die sie durchströmt. Doch weil wir keine Tiere, sondern Menschen sind, begreifen wir unsere kurze Zeitspanne der Bewusstheit und wissen um die schrecklichen Entscheidungen, die wir beim Umgang mit dieser Großen Kraft zu treffen haben, und das ist unser Fluch. Und doch gibt es in solch einer chaotischen Welt auch für uns Hoffnung. Es sind andere Kräfte am Werk, die uns vom Schmutz reinigen können. Ich hoffe, du wirst sie irgendwann spüren. Ich vermisse dich sehr, Little Crow. Denk an deine Mutter und an mich, wann immer du einen Fluss siehst. Denk an uns, wann immer du regennasses Herbstlaub riechst. Denk an uns im Wechsel der Jahreszeiten.
    Alles Liebe,
    Dein Daddy.
    Der Brief war drei Jahre vor seinem Selbstmord entstanden. Beim Begräbnis sagten mir ein paar seiner alten Freunde, er sei von dem großen Hirsch besessen gewesen. Vermutlich hatte er seit langem schon beschlossen, sich das Leben zu nehmen, sobald er ihn erlegt hätte. Ich steckte den Brief wieder in den Umschlag zurück. Seine kryptischen Worte hallten um mich herum und übertönten die Unterhaltung am Esstisch.
    Innerlich war ich plötzlich wieder elf und hatte Mühe, mit meinem Vater Schritt zu halten, der einem Hirsch auf der Spur war. Wir waren schon stundenlang durch acht Zentimeter hohen Schnee gestapft, als die Fährte uns verriet, dass der Hirsch stehen geblieben und dann zur Seite gesprungen war: ein sicheres Zeichen dafür, dass das Tier uns gewittert und ein Ausweichmanöver begonnen hatte.
    »Er wird einen Bogen um uns machen, Little Crow«, flüsterte mein Vater. »Geh nach Osten!«
    Ich lief in die angewiesene Richtung, an Fichten vorbei und durch ein Hickorywäldchen, wo blasses Gras aus dem Schnee spitzte. Als die Hickorybäume hügelabwärts einer Wiese wichen, auf der sich wilde Apfelbäume und Weißkiefern drängten, warf ich mich hinter einem Steinwall zu Boden und wartete. Ohne mich umzusehen, wusste ich, dass mein Vater hinter mir Ausschau hielt. Und dann kam der Hirsch den Hang herauf, und sein abgewetztes Geweih schaukelte im Wind.
    Ich erinnere mich kaum noch an den Schuss, weiß nur, dass ich ihn abgegeben habe und dass der Hirsch lossprinten wollte, ins Taumeln geriet und zu Boden stürzte. Ungläubig drehte ich mich zu meinem Vater um: »Hab ich … ihn erwischt?«
    Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich auf die Stirn. »Und wie.«
    Ich weiß noch, dass ich den Hirsch nicht ansehen konnte, als ich vor ihm stand. Da war dieses Gefühl in mir, wie wenn ein Fluss sich ein neues Bett gegraben hätte; ich war nicht mehr das Mädchen, das am Morgen in den Wald aufgebrochen war.
    Der Hirsch lag vor mir; da erfasste ein Zittern meine Hände, das mir hinauf in die Arme und hinunter in die Knie kroch. Ich warf mich neben das Tier zu Boden und weinte. Gleichzeitig war ich wütend, weil ich weinte, als wäre es die falsche Reaktion, als hätte ein Junge anders empfunden. Aber mein Vater verstand mich. Er kniete sich neben mich, nahm mich in die Arme und sagte, sein Onkel Mitchell sei immer der Meinung gewesen, dass ein Mensch, der beim Tod eines Tiers keine Trauer verspürte, im Wald nichts verloren hätte. Dann nahm er mein Kinn zwischen die Finger und wischte mir die Tränen fort.
    »Einem Geschöpf das Leben zu nehmen hat genauso tief greifende Konsequenzen, wie wenn man Leben hervorbringt: Es ist ein Austausch jener Kraft, die nach dem Glauben unserer Väter überall um uns herum ist«, sagte er. »Du wirst ähnlich empfinden, wenn du Kinder auf die Welt bringst, denn beides ist Teil eines endlosen Zyklus. Wenn du tötest, akzeptierst du die Kraft des Tiers als die deine und als Teil der größeren Kraft um uns herum. Indem du das Tier am Ende der Jagd tötest, bekennst du dich zu deinem eigenen Tod und akzeptierst, dass dein Geist eines Tages den Körper verlässt, um in allem aufzugehen, was vor ihm war und was nach ihm kommen wird.«
    Er zog sein Messer, schnitt mir eine Locke ab und gab sie mir.
    »Lass einen Teil von dir im Wald, weil du einen Teil des Waldes mit fortnimmst«, fuhr er fort. »Sprich ein Gebet, in dem du dich bei dem Tier bedankst, weil es sein Leben gegeben hat, damit du essen und leben kannst. Dann lege deine Hände um sein Maul und saug die Luft in dich ein, die noch in seiner Lunge

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