Panic
wundern.«
Eine unscheinbar aussehende Frau mit kurzem braunem Haar, einer Brille und einer Schürze kam durch die Schwingtür links vom Kamin. »Essen ist fertig, Mike.«
Cantrell ließ Kurant stehen und sagte: »Ich möchte euch meine Frau vorstellen, Sheila. Sie kocht für uns. Und zwar verdammt gut.«
Sheila lächelte verlegen. »Schön, dass ihr hergekommen seid. Das Speisezimmer ist dort hinten.«
Earl, der als Erster hineinging, blieb die Luft weg. »Sieh sich das einer an!«
Wir drängten hinterher. Gaslaternen erleuchteten das Zimmer. An jeder Wand hingen gewaltige Hirschköpfe, gegen die der Bursche bei mir im Zimmer aussah wie ein Gartenzwerg. Der größte von allen, ein untypischer Zweiundzwanzigender mit Geweihstangen von dreißigeinhalb Zentimetern Länge, belegte den Ehrenplatz über dem Kamin. Pfeile aus Zedernholz in einem Lederköcher und ein primitiver Langbogen waren direkt unterhalb des Hirschkopfs an der Wand befestigt.
»Großer Gott«, flüsterte Griff. »Wer hätte gedacht, dass es so gut hier ist …«
»Verstehen Sie jetzt, was ich meinte, Mr. Addison?«, sagte Cantrell und versetzte Earl einen Schlag auf den Rücken. »Da steigt der Blutdruck, was?«
Mir wurde ganz kribbelig zumute, und ich war plötzlich wieder dreizehn und mit meinem Vater in unserer Jagdhütte in Maine, wo tags darauf die Jagdsaison eröffnet werden sollte.
»Wem gehört dieser Bogen?«, fragte Butch.
»Mr. Metcalfe hat nichts anderes benutzt in den vergangenen Jahren«, antwortete Nelson. »Hat diesen Hirsch damit geschossen, den größten Untypischen, der je mit ’nem Langbogen erlegt worden ist. Inoffiziell natürlich. Hat den Bogen selbst gebaut. Die Pfeile ebenso. War schon ein komischer Kauz, was? Aber in Sachen Jagd, da war er ein echter Schamane.«
Der Vergleich ließ mich zusammenzucken, aber ich sagte nichts. Als wir uns um den Tisch setzten, flog die Tür zur Küche auf, und eine kleine, vollbusige Frau, das schwarze Haar zu einem Zopf geflochten, trat schwungvoll mit einem Tablett ins Zimmer. »Wer jagen geht, muss essen!«, verkündete sie. »Ich bin Theresa, eure Küchen- und Spülsklavin. Wenn es euch hier gefällt, dann könnt ihr’s mir ins Ohr flüstern. Falls ihr was zu meckern habt, dann sagt es gefälligst den ausgestopften Staubfängern hier drin!«
Patterson, der sich den dünnen blonden Kinnbart gekrault hatte, fing an zu lachen, als er die erschrockenen Gesichter der anderen sah. Er zeigte mit einer ausladenden Geste auf Nelson.
»Ihr braucht sie nur zehn Tage zu ertragen. Der arme Trottel hier hat sie schon fünfzehn Jahre am Hals.«
Theresa schnaubte: »Was heißt hier armer Trottel? Timothy kann froh sein, dass ihm die Geister des Waldes eine Nymphe wie mich geschenkt haben, die ihn nachts warm hält.«
»Nymphe?«, rief Patterson.
»Mhm«, sagte sie. Sie warf ihren Zopf nach hinten, beugte sich hinunter und pflanzte einen dicken Schmatzer auf Nelsons Stirn. »Und hier sitzt mein Satyr.«
Alle brüllten vor Lachen über Nelsons Gesichtsausdruck. Theresa zwinkerte uns zu. »Zweifelt jemand an meinen Zauberkräften?«
Fast gleichzeitig schüttelten wir die Köpfe. Sie schob das Kinn vor und sagte zu Patterson: »Siehst du? Dreißig Sekunden, und die Tierchen fressen mir aus der Hand.«
Theresa stellte vor jeden von uns einen Teller dampfende Lauchsuppe und verschwand wieder in der Küche. Gleich darauf kam sie mit mehreren Flaschen Weißwein zurück. Der Suppe folgte ein Hauptgang aus gedämpftem Lachs, Karotten und Frühkartoffeln.
Lenore Addison kippte den Wein gierig in sich hinein. Sie wies auf einen der Hirschköpfe und stupste ihren Mann an. »Vielleicht schaffst du’s hier, was meinst du?«
Earl wurde rot. »Lass mal gut sein, Süße.«
»Komm schon, kleiner Mann, darum geht’s dir doch, gib’s zu.« Sie winkte Kurant. »Hören Sie mal, ich hab was für Sie: Industriebonze und beleidigte Leberwurst, weil seine Frau besser jagt als er, hechelt seit Jahren einem Eintrag ins Buch der Rekorde hinterher und lässt sich die Sache zigtausend Dollar kosten. Zweimal hatte er seinen Riesenhirsch direkt vor der Nase, doch in letzter Sekunde bekam er das Zittern, tja …«
»Lampenfieber?«, fragte Kurant.
»Earl hat die Ebola-Variante davon, 40 Grad Fieber, Schüttelfrost, Kreislaufkollaps.«
»Und was wollen Sie mir damit sagen? Dass Sie selber cool bleiben?«, fragte der Schriftsteller.
»Tja, manche nennen es Glück. Aber der Letzte, den ich geschossen hab, hat
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