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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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abgeschnitten.
    Während ich mich weiterkämpfte, schlug mir das Herz bis zum Hals. Langsam wurde es hell, und so schob ich mit dem Gewehrlauf die Zweige beiseite, die über den Fluss hingen. Ich hatte endlich das Muster begriffen, das der Bewegung des Killers zugrunde lag. Die zwei unterschiedlichen Fußabdrücke stammten nicht von zwei Personen, sondern von ein und derselben Person, die ihre Jagdstiefel gegen Watstiefel austauschte. In den brusthohen Watstiefeln konnte der Killer durchs Flussbett waten, ohne Spuren zu hinterlassen, dann in die Jagdstiefel schlüpfen und auf die Pirsch gehen.
    Der Stick River und dieser Fluss hier waren die Zugänge in seine Jagdgründe; der Dream River und seine Nebenflüsse die Fluchtwege. Außer, der Wind wehte aus westlicher Richtung, so wie jetzt. Dann war es umgekehrt. Falls ich Recht hatte, würde ich dem Killer unterwegs nicht begegnen; er würde sich im Dream River nach Süden bewegen, gegen den Wind. Ich hätte somit Gelegenheit, sein Lager zu erkunden, während er in sicherer Entfernung seinen Wahn auslebte.
    Es war heller Tag, als ich den Stick River erreichte. Die reißende Strömung hätte mir auf den ersten hundert Metern etliche Male fast die Beine weggezogen, also bewegte ich mich wieder auf den flachen Rand zu, obwohl dort das brechende Eis mein Vorankommen behinderte. Immer wieder rutschte ich von den glatten Steinen oder stieß mir den Fuß am Treibholz, das aus dem Eis ragte wie knorrige Hände. Doch das Rauschen des Flusses übertönte jeden meiner Laute.
    Ich blieb möglichst dicht am Ufer, um unbemerkt flussabwärts spähen zu können. Zweimal überraschte ich Hirschwild, das ängstlich meine Witterung aufnahm, bevor es meine Gestalt im Flussbett sichtete. Um neun Uhr wurde das Wasser weiß; ich näherte mich dem Zusammenfluss der beiden Flüsse.
    Gleich am ersten Tag der Jagd, als ich den gewaltigen Hirsch aufgespürt, aber keine Gelegenheit zum Schuss bekommen hatte, war ich fast in Sichtweite vom Lager des Killers gewesen. Auf der Landkarte schien die Insel im Zusammenfluss nicht sehr groß zu sein. Nelson hatte sie als kahlen Felsen bezeichnet. Doch als ich sie endlich vor mir sah, fand ich sie dicht bewachsen mit jungen Pappeln. In der Mitte saß ein Granitfels, der über die blassen Baumstämme hinausragte wie die Tonsur eines Mönchs aus einem dichten Kranz von Haaren. Ich schluckte, weil jetzt alles einen Sinn ergab. Nach dem Glauben der Micmac ist der Zusammenfluss zweier Gewässer ein ungeheurer Ort der Kraft. Ich spürte förmlich die geballte Energie der beiden Flüsse, doch jenseits dieser natürlichen Kraft lauerte hier noch etwas anderes, etwas Trügerisches, Tödliches.
    Die Kälte saß mir so tief in Muskeln und Knochen, dass ich vor Schmerz den Tränen nahe war. Trotzdem wagte ich mich nicht aus der Sicherheit des Wassers. Ich duckte mich ins Wurzelwerk eines Baums, der ans Ufer gespült worden und zwischen zwei Felsbrocken hängen geblieben war. Ich legte das Gewehr auf die Zweige und spähte durch mein Fernglas zur Insel hinüber, circa sechzig Meter von mir. Eine ausgetretene Spur führte zum Wasser hinunter.
    Ich zögerte, doch dann watete ich am Ufer entlang, bis ich die Stelle fand, wo die Spuren das Wasser auf dieser Seite wieder verließen. Die Abdrücke waren frisch, vielleicht eine halbe Stunde alt, und zeigten nach Süden. Ich war also vor ihm sicher. Ich tat einen Schritt nach vorn, rutschte aus und stolperte durchs seichte Wasser. Mein rechter Fuß hatte sich unter der Wasseroberfläche in etwas verfangen. Ich fasste hinunter, versuchte das eiskalte Wasser, das meinen Arm bis hinauf zur Schulter lähmte, zu ignorieren, und befreite meinen Stiefel aus einem Seil. Ein strapazierfähiges gelbes Nylonseil, verbunden mit einem Karabinerhaken. Ich sah mich um und entdeckte auf den kräftigen Wurzeln einer großen Kiefer am Ufer Kratzspuren. Ich musste meine ganze Kraft aufbringen, um den Haken zu befestigen. Jetzt spannte sich das Seil stramm über das Wasser, bis zur Insel hinüber.
    Die Insel wirkte auf mich plötzlich wie ein großer Magnet mit enormer Anziehungskraft; ich wollte zu diesem Lager vordringen, wollte begreifen, woraus er seine Macht schöpfte, und mich unbemerkt wieder davonschleichen. Ich fischte mein Schleppseil aus dem Rucksack und band eine Schlaufe um das gelbe Nylonseil herum. Dann schnallte ich meine Flinte oben auf den Rucksack, schulterte ihn und steckte dann Kopf und Arme durch die Schlaufe; sollte die

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