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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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hatten mich meine Fähigkeiten im Stich gelassen. Das Wasser war Teil seiner Strategie, ich aber hatte nicht vorausgesehen, dass er wieder den Fluss für sein Weiterkommen nutzen würde.
    Nelson kam mir nach, keuchend vor Anstrengung. Er sah mich, dann die letzte Spur. Dann blickte er lange über den Fluss, während ich mich wieder beruhigte.
    »Anscheinend ist er auf allen vieren hier rausgekrabbelt«, sagte er schließlich. »Hatte es verdammt eilig, von hier wegzukommen, sonst wär er kaum ins eisige Wasser gelatscht.«
    Ich zog ein paar Taschentücher aus der Hosentasche und schnäuzte mich. Dann drückte ich mir Schnee auf die Augen, damit die Schwellung nachließ. »Ich glaube nicht, dass körperliche Schmerzen ihm noch etwas anhaben können«, sagte ich. »Über so was ist er hinaus.«
    Diese Vorstellung begleitete mich auf unserer Wanderung nach Süden, während wir hofften, auf dieser Seite des Stick River die Stelle zu finden, an der er aus dem Wasser gestiegen war. Sie saß mir im Nacken, als wir in der Dämmerung den Rückweg antraten und dann in tintenschwarzer Nacht bei heftigem Schneetreiben auf Cantrell warteten. Sie ließ mich nicht einmal im Blockhaus los, wo ich in einen Sessel sank und dankbar die dampfend heiße Tasse Kaffee entgegennahm, die Sheila mir brachte, während Theresa sich um ihren Mann kümmerte. Falls der Bogenschütze keinen Schmerz mehr spürte, war es ihm egal, ob er draufging; er hatte den Tod gewissermaßen überwunden und war als dieses mordlüsterne Monster neu erstanden, das uns jetzt jagte.
    Arnie hatte für Earl ein Bett in den großen Saal gestellt, wo er sich um ihn kümmern konnte. Er hatte den Geschäftsmann mit Demerol voll gepumpt und dann die Wunde weit genug geöffnet, um eine Drainage legen zu können, die er sich aus dem Finger eines Gummihandschuhs zurechtgestutzt hatte; dieser behelfsmäßige Schlauch sollte die Flüssigkeit ableiten, die sich um die Pfeilspitze sammelte. Lenore musste Earl haufenweise Antibiotika in den Mund löffeln, die Arnie zerrieben und dann in abgekochtem Wasser aufgelöst hatte. Trotzdem machte der Kinderarzt ein besorgtes Gesicht.
    »Wir müssen die Drainage im Auge behalten«, sagte er zu Cantrell. »Falls sich Rückenmarksflüssigkeit darin sammelt, droht ihm eine Rückenmarksinfektion; damit wäre sein Gehirn in Gefahr.«
    »O Gott.« Der Pächter fuhr sich mit den stummeligen Fingern durch den Bart. Er wirkte ausgezehrt und erschöpft, schien dringend Schlaf zu brauchen.
    »Noch ist es nicht so weit«, sagte Arnie. »Ich wollte nur, dass Sie verstehen, worum es hier geht. Ich hab ihm Antibiotika gegeben, aber ich weiß nicht, ob sie für sechs Tage reichen.«
    »Wie wär’s, wenn Sie die Pfeilspitze herausschneiden?«, fragte Cantrell.
    Arnie verzog das Gesicht. »Falls die Pfeilspitze das Rückgrat nur berührt, tun wir besser daran, sie dort zu belassen, wo sie ist, und es Earl so bequem wie möglich zu machen. Wenn ich versuche, das Ding zu entfernen, verletze ich womöglich einen intakten Wirbel.«
    »Und wenn die Pfeilspitze tatsächlich im Rückgrat steckt und Flüssigkeit austritt?«
    Arnie rieb sich die Stirn. »Heikle Sache. Vielleicht versucht man’s mit Aufschneiden, Spülen und ’ner Drainage. Vielleicht auch nicht. Gewinnen kann man so und so nicht. Sein Zustand wird sich auf jeden Fall verschlechtern, bis wir ihn hier rausschaffen können.«
    »Was wollen Sie also von mir, Doc?«
    »Einen Zeitplan«, sagte Arnie. »Es muss rund um die Uhr jemand bei ihm Wache halten. Ich werde mich auch um ihn kümmern. Aber ich brauche ein wenig Schlaf für den Fall, dass sich seine Lage verschlechtert und ich ihn rasch operieren muss.«
    »Alles klar. Wir verlassen das Camp ohnehin nicht mehr.«
    Ich hatte ihren Stimmen mit geschlossenen Augen zugehört. Als ich sie aufschlug, sah ich, wie Kurant sich Notizen machte. Ich schloss die Augen, konnte nicht glauben, dass ich beinah mit ihm geschlafen hätte. Andererseits ist der Mensch keine Insel, dachte ich.
    Und in diesem Moment traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Ich richtete mich auf und ging hinüber zur Landkarte des Metcalfe Reviers. Da, ein kleiner brauner Fleck im blauen Band. Ein Schauer erfasste mich, denn jetzt wusste ich mit Sicherheit, wo der Killer sich versteckt hielt.

Einundzwanzigster November
    Drei Stunden vor Sonnenaufgang ging ich aus der Hütte und spazierte an den Kiefern am Seeufer entlang. Wieder waren fünfzehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Die Luft

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