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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Strömung mich vom Seil reißen und Wasser in meine Hose schwappen, würde diese Rettungsleine meinen Kopf über Wasser halten und verhindern, dass ich wegdriftete.
    Doch nichts dergleichen geschah. Dank eines seltsamen Zufalls hatten die beiden Flüsse über die Jahre Felsbrocken und Sand zwischen Festland und Insel aufgetürmt. Ich war daher nach etwa fünfzehn Minuten am anderen Ufer angelangt, ohne dass das gischtende Wasser je die Oberkante meiner Anglerhose erreicht hätte. Meine Finger freilich waren halb erfroren, sodass ich sie kaum noch bewegen konnte, und meine Füße fühlten sich an, als steckten sie in Glasscherben.
    Bereits vom Wasser aus sah ich die geriffelten Fußabdrücke. Ich drehte mich um, setzte meine geriffelten Sohlen in die seinen und stapfte rückwärts ins Dickicht, die Sinne so wach wie nie zuvor. Ich roch Schnee, schmeckte Adrenalin und hörte das schwache Rauschen von Blut in den Schläfen. Und von ihm keine Spur, dessen bedrohliche, lauernde Präsenz ich schon zweimal gespürt hatte.
    Die Spur führte in östlicher Richtung um den Hügel herum und dann nach oben. Es kostete mich große Mühe, meine Stiefel in seine Fußabdrücke zu setzen, ohne diese zu verändern, und ich hoffte inständig, dass ein wenig Neuschnee etwaige Schnitzer meinerseits vertuschen würde. Doch im Moment lag kein Schnee in der Luft. Nach einem Aufstieg von etwa vierzig Metern endete seine Spur abrupt vor einem Haufen Gestrüpp. Ich zerrte es beiseite und legte in Hüfthöhe eine Öffnung frei.
    Ich würde gern sagen, dass ich in diesem Moment sehr tapfer gewesen war, doch das kann ich nicht. Ich suchte nach Gründen, um nicht hineingehen zu müssen, um wieder umkehren, zum Blockhaus zurückgehen zu können, und im Nachhinein betrachtet hätte ich das auch tun sollen. Doch eine innere Stimme drängte mich, dieses Versteck zu erkunden.
    Ich riskierte also einen vorsichtigen Blick ins Innere und sah zu meinem Erstaunen nach einem etwa drei Meter langen Tunnel eine schwach erleuchtete Höhle. Rucksack und Gewehr vor mir her schiebend, zwängte ich mich in den Tunnel hinein und gelangte in einen Felsenraum, der etwa fünf Meter breit, sieben Meter lang und drei Meter hoch war. In der rechten Wand, direkt unterhalb der Decke, befand sich ein rechteckiger Spalt nach draußen, einen Meter breit und fünfzehn Zentimeter hoch. Eine Plastikplane spannte sich über die Öffnung, um Licht einzulassen, nicht aber den Schnee. Unterhalb dieses Fensters befand sich eine Feuerstelle; so konnte er die Plane nach Einbruch der Dunkelheit entfernen, das Feuer anfachen und den Rauch durch die Öffnung abziehen lassen. Meinen Berechnungen zufolge ging der Spalt gen Osten; weder der Rauch noch das Licht würden vom Festland aus gesehen werden.
    Trotz des Fensterspalts war es dämmerig hier drin. Ich holte die Taschenlampe heraus und leuchtete damit den Raum aus. Ich hatte wohl erwartet, dass der Ort nach Tod stinken, völlig verwahrlost sein, irgendwie den gestörten Geist widerspiegeln würde, den ich hinter den Morden vermutete. Doch der Raum hatte nichts Dämonisches an sich. Tannenzweige verliehen der Luft den angenehmen Geruch des Waldes. Kochgeschirr stapelte sich fein säuberlich in einer Ecke. Ein Schlafsack stand ordentlich zusammengerollt an der Wand. Kleidung und Stiefel waren in einer Art gummiertem Seesack verstaut, wie ihn Kanufahrer benutzen, Brennholz und Reisig lagen neben der Feuerstelle aufgeschichtet. Der Höhlenboden war größtenteils mit Hirschfellen ausgelegt, die einen neu, die anderen alt, und die Art und Weise, wie sie angeordnet waren, schien einer bestimmten Logik zu folgen, die mir allerdings nicht ganz einleuchtete. Der Raum erinnerte an die geheimnisvolle, streng reglementierte und doch weihevolle Atmosphäre im Inneren eines Zenklosters, wie ich es auf Fotos gesehen hatte.
    Ich nahm mir den Seesack vor und durchstöberte den Inhalt nach etwaigen Hinweisen zur Identität des Killers. Er hatte Geld, kein Zweifel. Seine gesamte Ausrüstung – vom Minipropanherd übers Kochgeschirr bis hin zu den Einlegesohlen seiner Stiefel – war auf dem neuesten Stand und vom Feinsten. Doch da war nichts, was über seine Persönlichkeit Auskunft gab. Am Boden des Beutels schließlich ertastete ich ein flaches Stück Stoff, eine Scheintasche aus grünem Khaki. Sie besaß ein steifes Futter und einen Klettverschluss. Im Inneren fand ich drei Fotos.
    Das erste zeigte einen dunkelhäutigen Mann in leuchtend weißer

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