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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Hauses, die nackte Dame des Hauses, und der Präsident des Senats mit der Ehrenlegions-Rosette auf dem schwarzen Badeanzug, er trägt dazu passenderweise einen Zylinder, und nur die Tante aus der Provinz hat einen langen Rock und fällt peinlich auf. Worauf sie sich entschließt, die neue Pariser Mode mitzumachen, sie kommt also ziemlich ausgezogen herausgeklappert, auf den Brüstchen aber trägt sie für die Moral und gegen den Regen zwei spitze Trichter…
    Die drei besten Szenen aber sind so:
    Probe im »Moulin Rouge«, mit der Mistinguett, welche sehr geschäftstüchtig ist. Aufmarsch der verschiedenen Revueleute: die Maschinisten und der Herr Direktor und die Girls, und, richtig, die Autoren – und jeder singt: »Ach, Irma – ach, Irma – ohne mich verkracht die Firma!« und dann erscheint der »Stern« und kriegt erst einmal so viel Geld, wie es gar nicht gibt; und nimmt noch vom Interviewer Geld, und als der mal aufs Töpfchen gehen muß, spricht jene: »Geradeaus die zweite Tür rechts – fünfzig Centimes, bitte!« – Und dann kommt sie heraus, in zerlumpten Bettlerkleidern, mit einem Körbchen in der Hand, und probiert.
    Nun steht aber nebenbei auf einem Tischchen ein Telephon, und in die Probe hinein klingelt es, und jedesmal bricht die falsche Mistinguett ihr Jammerlied ab, in dem sie herausplärrt, dass sie nichts zu essen habe, und macht am Telephon Börsengeschäfte und treibt Mieten ein und Hypothekenzinsen und was der Mensch so braucht… Beinahe hätte ich hinaufgerufen: »Gründen Sie doch eine Mistinguett-G.m.b.H. – das soll vorkommen!« aber ich bin ein feiner Mann, und außerdem habe ich auch zu sehr lachen müssen, denn immer, wenn sie abgehängt hatte, begann sie von neuem:
»In meinen Hosen pfeift der Wind –
Ich armes Proletarierkind!«
     
    Es war sehr schön. Rip überstrahlt das alles mit seinem Witz – Sie kennen doch die Beleuchtungstricks der großen Revuen? Rip hat die »fesses lumineuses« erfunden, i, wo werde ich das übersetzen!
    Und dann ist da eine Szene, die eben das Handgelenk des Autors zeigt. Es tritt ein schüchterner Polizeikommissar auf, der um die Hand eines jungen Mädchens anhalten soll – es aber nicht kann: er traut sich nicht. »Ich bin so schüchtern,« sagt er zu einem Freund, »so schüchtern…! Heute haben sie mir im Café dreimal denselben Witz erzählt – meinen Sie, ich könnte sagen: Bitte, den habe ich schon gehört! Ich kann das nicht…« – »C’est bizarre …«, sagt der Freund, »übrigens – kennst du das mit der Arche Noah? Wo der Elefant nicht einschlafen kann, weil es so bumst, und dann schickt er herauf, und da sagt der Noah: »Entschuldigen Sie vielmals, Herr Elefant – aber das ist der Tausendfuß – der zieht sich grade die Stiefel aus!« – »Großartig!« sagt der schüchterne Kommissar und lacht sich tot. Freund ab. Kommissar, ins Publikum: »Das ist doch dieselbe Geschichte, die sie mir heute im Cafe erzählt haben!« – Und wie er nun diesen Witz ununterbrochen erzählt bekommt – lang und kurz, niedlich von seiner Braut, dramatisch bewegt von einem Marseiller, verkorkst von einer Ausländerin (»Und da sagt Noah: Das ist der Ohrwurm, der sich die Hosen auszieht!«) – das ist nun zum Entzücken gar. Am besten aber ist die dritte Szene.
    »Sur les Toits.« Auf den Dächern. Auf den Dächern arbeiten zwei Handwerker und reparieren da den Blechbelag. Und der Dicke, es ist Dorville, der so parisern kann wie Graetz berlinert, der Dicke verzapft Politik. Was er so in den Blättern gelesen hat: Keinen Krieg mehr! Und keine Grenzen! Und keinen König! Und keine Steuern! Und alles durcheinander. Und der Kollege führt ihn, ohne es eigentlich zu wollen, sanft ab, ein dialektisches Kunststück, das grade so gut umgekehrt vor sich gehen könnte.
    Perlen der Unterhaltung: »Du liest den »Ami du Peuple«, Cognasse?« – Cognasse ist leicht geniert; der Ami du Peuple des Herrn Coty kostet zwar drei Sous weniger als die andern Zeitungen, aber sehr kommunistisch ist er ja nun grade nicht… »Je ne le lis pas«, sagt er. »Je l’achète!« – Er war so verblüffend echt – ganz Paris stand da auf den Dächern… Und da hört man plötzlich leise, ganz leise Militärmusik, Klingkling, Bummbumm und Tschindrara – die Musik wird lauter und lauter – »Cognasse! Guck! Soldaten!« – Und sie treten an die Rampe und sehen auf die fingierte Straße hinunter… nun ist die Musik ganz laut, der schnelle Takt der französischen

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