Panter, Tiger und andere
inzwischen kleine Mädchen gezeichnet! Und dabei soll das Ministerium gestürzt werden! Das ist, um sich aus dem Fenster zu werfen!«
»Da gibt es eine Stelle bei Lamennais …«
»Du hast nur noch eine Viertelstunde Zeit. Ich kenne dich doch. Du brauchst mindestens acht Tage, um eine Stelle oder sonst etwas zu finden. Was sagt denn dein Lamennais vom Ministerium? – Na ja, dann schreib’s hin.«
Nächste Szene. Fran[c,]ois(wie oben):
»Der Mann von der ›Neuen Freien Presse‹ sagt, er hat keine Lust, entlassen zu werden, er geht jetzt. Übrigens ist er voll wie ein Omnibus!«
France signiert den Artikel.
»Schade um den schönen Artikel!« sagt er. »Jetzt hat der Mann einen sitzen und wird ihn im Rinnstein verlieren!«
Heinrich Zille
Zweeter Uffjang, vierta Hof
wohnen deine Leute;
Kinder quieken: »Na, so dof!«
jestern, morjn, heute.
Liebe, Krach, Jeburt und Schiß …
Du hast jesacht, wies is.
Kleene Jöhren mit Pipi
un vabogne Fieße;
Tanz mit durchjedrickte Knie,
er sacht: »Meine Sieße!«
Stank und Stunk, Berliner Schmiß …
Du hast jesacht, wies is.
Jrimmich wahste eijntlich nich –
mal traurich un mal munta.
Dir war det jahnich lächalich:
»Mutta, schmeiß Stulle runta –!«
Leierkastenmelodien …
Menschen in Berlin.
Int Alter beinah ein Schenie –
Dein Bleistift! na, von wejn …!
Janz richtich vastandn ham se dir nie –
die lachtn so übalejn.
Die fanden dir riehrend un komisch zujleich.
Im übrijen: Hoch det Deutsche Reich!
Malen kannste.
Zeichnen kannste.
Witze machen sollste.
Aba Ernst machen dürfste nich.
Du kennst den janzen Kleista –
den ihr Schicksal: Stirb oda friß!
Du wahst ein jroßa Meista.
Du hast jesacht, wies is.
1929
Fratzen von Grosz
Der Zusammenhang zwischen der bildenden Kunst und dem Leben ist nicht ganz aufgeklärt. Es ist noch nicht heraus, ob die Damen in England um 1830 so ausgesehen haben, weil Burne Jones sie so hingehaucht hat, oder ob er so malte, weil sie so aussahen. Jedenfalls waren sich beide einig: der Maler und seine Zeit, und so war Alles in bester Ordnung.
Der Karikaturist hats schon schwerer. Nach ihm richtet sich Keiner. Im Gegenteil: der Getroffene – und grade der Getroffene – erkennt sich nicht einmal, und jeder Fleischermeister erklärt, solche Specknacken gäbe es überhaupt nicht. Und doch richtet sich Einer nach dem Zeichner mit dem Zerrstift.
Der Sehende richtet sich nach ihm. Sicherlich hat Spitzweg Viele veranlaßt, mit seinen Augen zu sehen – und was der (alte) ›Simplicissimus‹ auf diesem Gebiet geleistet hat, wißt Ihr noch Alle: sahen wir nicht Gulbranssons Spießer mit den Korkzieherhosen und dem Wellenbauch, Thönys feisten Agrarier und dann die Herren Leutnants …?
Lang, lang ists her. Der ›Simplicissimus‹ ist tot. Thoma lebt in der Nähe ländlicher Sauställe, und ein Witzblatt von Gesinnung haben wir nicht mehr. Aber einen Karikaturisten, der sie alle, die von damals, überragt, einen, der mit Monokel, Mikroskop und zwei gesunden Augen neu, neu und noch einmal neu sieht: George Grosz.
Fünfundfünfzig politische Zeichnungen sind von ihm unter dem Titel ›Das Gesicht der herrschenden Klasse‹ im Malik-Verlag erschienen. Neben der Mappe: ›Gott mit uns‹ das meisterlichste Bildwerk der Nachkriegszeit.
Die deutschen Gesichter haben sich verhärtet. Schärfer sind die Kinne geworden, verbissener die Lippen, brutaler die Unterkiefer. (»Haifische« nennt der Italiener seine Blutgewinner.) Und ich weiß Keinen, der das moderne Gesicht des Machthabenden so bis zum letzten Rotweinäderchen erfaßt hat wie dieser Eine. Das Geheimnis: er lacht nicht nur – er haßt. Das andre Geheimnis: er zeichnet nicht nur, sondern zeigt die Figuren – welche patriotischen Hammelbeine! welche Bäuche! – mit ihrem Lebensdunst, ihrer gesamten Lebenssphäre in ihrer Welt. So, wie diese Offiziere, diese Unternehmer, diese uniformierten Nachtwächter der öffentlichen Ordnung in jeder einzelnen Situation bei Grosz aussehen: so sind sie immer, ihr ganzes Leben lang.
Sie sind alle da: die brutalen Mordoffiziere und Nachfahren eines Ludendorff, die allesamt nicht ertragen können, in Zivil zu arbeiten, und die vorziehen, in Uniform zu töten – so das Blatt: ›Prost Noske! Die Revolution ist tot!‹, eines der stärksten politischen Pamphlete unsrer Zeit; früher machte das lächerlich, heute wird man, wenn man nur sonst ein guter Gustav ist, Oberpräsident –; die Kaufleute, die gar nichts
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