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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Militärmärsche klingt an unser Ohr, nun wird sie wieder leiser, verklingt fast… Und da muß nun wohl unten die Fahne vorbeigezogen sein – denn den beiden da oben gibt es einen Ruck, und Cognasse, der radikale Cognasse, und sein Genosse – sie nehmen beide die Mützen herunter. Pause. »Du grüßt die Fahne, Cognasse?« sagt der erstaunte Genosse. Cognasse kommt wieder zu sich. »Quatsch!« sagt er. »Ich kenne den Fahnenträger!«
    Wobei denn schnell zu sagen, dass es in Frankreich keinen Militärfimmel gibt, und dass der französische Offizier etwas hinter dem »Zivilisten« rangiert. Und dass es doch leider, leider sehr wahr ist, was sich da auf den Dächern abspielt…
    Wie denn überhaupt das französische Kabarett und die kleinen Revuen einen reaktionären Witz aufweisen, den wir nicht haben, und der sich zum Teil daraus erklärt, dass das Land links regiert wird, die Opposition hat es ja immer leichter. Die Satire des Herrn Rip ist politisch von einer geradezu imposanten Gesinnungslosigkeit, aber, um die Wahrheit zu sagen, sie ist den Linken über. Die haben keinen solchen zu versenden. Es ist da eine Szene über und gegen das Frauenstimmrecht, das die Französin nicht nötig hat, weil sie sowieso herrscht – und zwar nicht, wie man denken könnte – sondern durch ihre Sparsamkeit, durch ihre Kraft, den Haushalt zu führen, das Geld einzuteilen, die Geschäfte zu verwalten – in dieser Szene werden Thesen aus dem Jahre 1896 breitgetreten, unter dem jubelnden Beifall einer strahlenden Bürgerschicht, die sich in ihren Ur-Instinkten gestärkt fühlt. Wir Deutschen sind von rechts her Langeweile gewohnt. Verständnislosigkeit für die Zeit, Attentate und Holzknüppel. Hier aber gibt es einen reaktionären Witz, eine reaktionäre Geistigkeit und etwas für uns schier Unverständliches: einen intellektuell untermauerten Nationalismus, der übrigens niemals offensiv ist.
    So kann eine richtige Theaterkritik nicht aufhören. Die Damen Josylla, Dorny (die die Mistinguett himmlisch kopiert), Sinoel und Franconay entledigten sich ihrer Aufgabe. Warum aber alle Pariser Schauspielerinnen heiser sind, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Vielleicht wären sie es nicht, wenn Frankreich eine Prohibition hätte. Und selbst der gewitzigste Halsarzt könnte ihnen keinen andern Ratschlag geben als: »Schön gurgeln, nicht so viel saufen und nachts gut zudecken!«
    1928

Anatole France in Pantoffeln
    In Paris ist ein kurioses Buch erschienen, das in einem Monat fünfzig Auflagen erreicht hat: »Anatole France en pantoufles« von Jean-Jacques Brousson (bei G. Crès et Cie. Paris). Brousson war Sekretär bei France. Er schildert in kleinen Geschichten und Anekdoten tausend Charakterzüge, Eigenheiten, persönliche und häusliche Szenen aus dem Privatleben des Meisters. Vielleicht hätte er lieber »Anatole France im Käppchen« schreiben sollen, weil das ja charakteristisch für den großen Mann war.
    Das Buch ist – um seinen Vorzug zuerst zu nennen – unendlich amüsant. Manches geht für uns deutsche Leser verloren; da findet sich viel französischer Literaturklatsch (die französische Literatur ist um vieles verklatschter als die deutsche; jeder weiß jedes von jedem, und neulich stand sehr ernsthaft in der Zeitung auseinandergesetzt, welchen Likör der Preisträger des Prix Goncourt den Besuchern kredenzt hat). Es finden sich aber außerordentlich viel Anekdoten und Bemerkungen des alten Herrn, die auch einem deutschen Leser ohne weiteres verständlich sind. Darunter sind reizende Geschichten. So die von der nicht mehr ganz jungen Dame, die sich vor France niedlich machte, ihn fast mit Gewalt in den Wagen nötigte und dort ein neckisches Spiel mit ihm anhub. Bis es dem Meister zu viel wurde und er sie fragte, ob sie mit ihm wohl ein kleines Spiel spielen würde. »Wenn es unschuldig ist,« sagte die Schelmin, »gewiß!« – »Na, dann,« sagte France, »wollen wir einmal alle spielen, dass wir die Hände hübsch an den Wagentüren halten!« – Worauf sie den Wagen halten ließ und er sehr freundlich »Guten Abend, gnädige Frau!« sagte. Es finden sich viele interessante Bemerkungen über Literatur aufgezeichnet sowie eine Fülle maßlos unziemlicher Geschichten, die auch nicht andeutungsweise übersetzt werden können.
    Und hier steckt der Nachteil des Buches. Es ist das erste undelikate französische Buch, das mir in die Finger fällt. Ganz abgesehen davon, dass manches etwas reichlich massiv ist und sogar durch

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