Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
After Shave, Zahnpasta, ein Nachfüllbeutel Flüssigseife, eine Packung Paracetamol und Q-tips. Moment mal! Q-tips?
Nein, Franzi, nein, ermahne ich mich selbst, während ich wie ferngesteuert nach einem der Wattestäbchen greife. Das machst du nicht. Das kannst du nicht machen! Was du vorhast, ist nicht nur hochgradig unmoralisch, sondern auch illegal. Jedenfalls bin ich mir da ziemlich sicher. Also leg jetzt schön den Q-tip wieder hin, sammle deine Klamotten ein und geh zur Arbeit. Genau! Das wird das Beste sein. Im Wohnzimmer steige ich in meine zerknitterten Kleider. Dann gehe ich zurück ins Schlafzimmer und schaue auf den noch immer schlafenden Mann hinunter. Vorsichtig robbe ich auf dem Bauch an ihn ran und betrachte sein Gesicht, die langen, gebogenen Wimpern, die gerade Nase und die vollen Lippen, und ein wohliges Gefühl durchrieselt mich. Kein Zweifel, ich habe mich total verknallt. Der Q-tip in meiner Hand scheint regelrechte Stromstöße auszusenden. Unschlüssig betrachte ich ihn. So ganz durchringen kann ich mich noch nicht. Andererseits, möchte ich wirklich noch mal so auf die Nase fallen wie mit Fabian? Ganz sicher nicht! Fred murmelt etwas im Schlaf und rollt sich auf den Rücken. Ich zucke vor Schreck zusammen und fasse mein Wattestäbchen fester. Jetzt oder nie! Wenn er aufwacht, ist meine Chance dahin. Erst mal geht es ja nur darum, ihm eine Speichelprobe zu entnehmen. Ob ich die dann wirklich analysieren und mit meiner vergleichen lasse, muss ich ja gar nicht jetzt entscheiden. Obwohl das eine Milchmädchenrechnung ist, beruhigt es mich sofort. Über die moralische Verwerflichkeit mache ich mir später Gedanken, in diesem Moment geht es schließlich bloß um ein bisschen Spucke. Da kann er doch eigentlich gar nichts gegen haben. Schließlich haben wir gestern reichlich Körperflüssigkeiten ausgetauscht. Was für ein Glück, dass das gute Mädchen von seinem Ausflug auf den Mond noch nicht zurückgekehrt ist. Es wäre mit Sicherheit dagegen. So aber fasse ich das Wattestäbchen fester und nähere mich mit angehaltenem Atem Freds Lippen. Vorsichtig und ganz langsam schiebe ich den Q-tip in seinen Mundwinkel, die Wange beult sich leicht nach außen. Allmählich wird mir die Luft knapp, aber ich wage noch immer nicht zu atmen. Sanft bewege ich das Stäbchen ein bisschen hin und her und hoffe, dass dabei genügend Zellen an seinem Wattekopf hängen bleiben. Okay, das müsste genügen. Jetzt vorsichtig wieder rausziehen. Es geht nicht. Ich ziehe ein bisschen fester, aber der Q-tip steckt fest. Freds eben noch entspannt aufeinander liegende Lippen sind zusammengepresst. Und jetzt schlägt er die Augen auf.
»Ääääh … Guten Morgen«, sage ich und lächele unschuldig.
»Kannst du mir sagen, was du da machst?« Er klingt nicht besonders freundlich, aber wenigstens ist der Q-tip wieder frei. Möglichst unauffällig versuche ich, ihn hinter meinem Rücken zu verbergen, während ich gleichzeitig in meinem plötzlich wieder ziemlich schweren Kopf nach einer Erklärung suche. Vielleicht, wenn ich behaupte, ich hätte ihm meinen kleinen Finger in den Mund gesteckt? Ob er mir das abkauft? Ist vielleicht eine etwas merkwürdige Form der Kontaktaufnahme, aber Fred hat gestern Nacht schließlich auch so allerlei Dinge getan, mit denen ich nicht unbedingt gerechnet hätte. Und die mir trotzdem gefallen haben. Leider komme ich gar nicht mehr dazu, diese Lüge zu verzapfen, denn mit einer blitzschnellen Bewegung schnappt sich Fred mein Handgelenk und zieht es zu sich heran. Mitsamt des Corpus Delicti, das ich noch immer zwischen Daumen und Zeigefinger halte.
»Ähm, also, ich wollte mir gerade die Ohren …«, stottere ich, aber er lässt mich gar nicht ausreden.
»Hast du einen Knall?«, herrscht er mich an und lässt mein Handgelenk los.
»Nein, ich …«
»Nein? Ich glaube, doch!« Er springt aus dem Bett und trotz der peinlichen Situation entgeht mir nicht, dass er nackt ist. Und dabei unheimlich toll aussieht. Jetzt beginnt er aber leider damit, sich in Windeseile anzuziehen. Dann streckt er mir die offene Hand entgegen. »Los, gib das Ding her!«
»Was meinst du? Ach so, das …« Verlegen platziere ich das Stäbchen in seine Handfläche und sehe mit einem gewissen Bedauern, wie er es kopfschüttelnd in seiner Jeanstasche verstaut. Auch wenn ich es wahrscheinlich überhaupt nicht benutzt hätte – es wäre einfach schön gewesen, die Option zu haben. Mich zu vergewissern, dass Fred und ich
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