Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
weißen Stumpenkerzen und roten Rosen. Erneut stelle ich fest: Alles sehr schön, aber irgendwie nicht meins.
»Das ist gar nicht dein Platz«, bemerkt Nils nach einem Blick auf das Namensschildchen vor mir. »Komm, wir suchen unseren Tisch.«
»Okay.« Ergeben stelle ich mich wieder auf meine wunden Füße und humpele hinter ihm her zum Brauttisch, wo unsere Namen zwischen denen meiner Eltern und Julius’ Bruder und dessen Frau stehen. Meine Großeltern sitzen leider an einem anderen Tisch. Dafür hält sich wenigstens meine Mutter heute mit kritischen Kommentaren mir gegenüber zurück, ja, sie scheint wie ausgewechselt. Sie plaudert in einer Tour mit dem neben ihr sitzenden Nils und lässt sich im Detail erzählen, wie wir einander kennengelernt haben. Gerade legt sie ihm eine Hand auf den Arm und lacht, wie ich sie noch nie zuvor habe lachen hören. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie flirtet. Mit meinem Freund. Mein Blick streift den meines Vaters, der gutmütig mit den Schultern zuckt.
»Nils, kommst du mal bitte mit raus?«
»Aber wir unterhalten uns doch gerade«, weist meine Mutter mich zurecht. »Was willst du überhaupt draußen? Etwa rauchen? Nils, du rauchst doch nicht etwa auch?« Ah, sie sind mittlerweile schon beim Du angekommen.
»Nein, er raucht nicht«, antworte ich an seiner statt, »und ich übrigens auch nicht. Ich habe vor siebzehn Jahren meine erste und letzte Zigarette geraucht.« Und leider musste ausgerechnet in diesem Moment meine Mutter um die Ecke kommen und mich dabei erwischen. »Kommst du?«
»Natürlich. Entschuldigt uns bitte!« Mit einer angedeuteten Verbeugung erhebt er sich und folgt mir aus dem Saal. Draußen lehne ich mich an ihn.
»Meine Mutter ist peinlich. Es tut mir so leid.«
»Was redest du denn da?«
»Richtig, du kennst sie ja nicht anders. Aber glaub mir, so ist sie nicht immer. Normalerweise hat sie einen ziemlichen Stock im … Also, sie ist sonst nicht so. Wenn es dir zu viel wird, dann sag’s mir einfach, okay? Wir können gerne die Plätze tauschen.«
»Ach was, das ist doch nicht nötig. Ich finde es ganz amüsant. Wirklich. Ich mag deine Familie.«
»Tatsächlich?«
»Natürlich. Und weißt du auch, warum?«
»Nein«, sage ich aus tiefster Seele.
»Weil es deine Familie ist.« Er gibt mir einen Kuss. »Komm, lass uns wieder reingehen.«
Das Menü zieht sich ewig hin. Das Essen mag ja teuer und exklusiv sein, aber die Portionen sind winzig und die Pausen zwischen den einzelnen Gängen so lang, dass mein Hunger eher größer als kleiner wird. Außerdem war ich noch nie auf einer Hochzeit, auf der so viele Leute glaubten, irgendetwas sagen zu müssen. Nicht nur die beiden Trauzeugen Cornelia und Peter halten jeweils eine Rede, die ebenso lang wie weilig ist, sondern auch Emmas Patenonkel sowie fünf weitere Menschen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, lassen es sich nicht nehmen, dem Paar ausführlich ihre Glückwünsche auszusprechen. Ich persönlich bin ja der Meinung, dass eine knackige Ansprache des Brautvaters sowie ein paar Worte von Braut und/oder Bräutigam völlig ausreichend wären. Nachdem ein Arbeitskollege von Julius uns mit einer Begebenheit unterhalten hat, bei der man offensichtlich anwesend hätte sein müssen, um sie lustig zu finden, erscheint erneut eine Heerschar von Kellnern, die sich ebenso wieselflink wie lautlos um die Tische herum aufstellen, um den dritten Zwischengang zu servieren. Der rechts neben mir stehende Kellner wirft einen Blick in die Runde und deklamiert stolz: »Hier haben wir ein Carpaccio von Jakobsmuscheln auf geliertem Erbsenpüree, fein mit Minze abgestimmt und serviert an einem Jus de Champagne. Guten Appetit.« Sein kaum wahrnehmbares Nicken wirkt wie ein Kommandoschuss. In vollendeter Synchronizität wird uns serviert und schon verschwindet das Personal ebenso lautlos, wie es gekommen ist. Mein Magen knurrt laut und vernehmlich beim Anblick des Würfels, der leider die Größe eines Dominosteins nur m inimal überschreitet. Ich spieße meine Gabel hinein und stecke ihn in den Mund. Es schmeckt fischig und auch irgendwie aromatisch, mit einer leichten Säure. Leider hat alles die gleiche, gallertartige Konsistenz, die sich auf der Zunge meiner Meinung nach ein bisschen eklig anfühlt. Darum schlucke ich den Bissen schnell hinunter, besonders groß war er ja sowieso nicht, und sehe verstohlen in die genießerischen Gesichter rundum.
»Sag mal, schmeckt dir das?«,
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