Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
Bowle?«
»Auf dem Buffet.« Wie konnte ich das denn bloß übersehen? Ich liebe Bowle!
»Dankeschön.« Tatsächlich. Direkt neben der roten Grütze stehen zwei riesige Schüsseln mit Erdbeerbowle. Leider ist weit und breit kein Schild zu sehen. Schnell trinke ich ein Glas von jeder Sorte. Uiuiui, die zweite hat es aber wirklich in sich. Und schmeckt dabei so köstlich, dass ich mir ein weiteres Glas fülle. Egal, schließlich ist das hier eine Party. Und es kann bestimmt nicht schaden, mich für die noch folgenden Begegnungen ein bisschen locker zu machen. Nils’ Nervosität scheint nämlich mittlerweile auf mich übergesprungen zu sein. Ich gehe wieder nach draußen. Leider ist Nils wie vom Erdboden verschluckt. Da, wo wir uns eben noch mit Tessa und Georg unterhalten haben, vielleicht waren es aber auch Katrin und Jan, steht jetzt eine Gruppe von Frauen, die in ein angeregtes Gespräch vertieft sind. Ein wenig verloren se he ich mich um, als Tessa (oder Katrin?) mich entdeckt und zu sich heranzieht.
»Komm doch zu uns, warum stehst du denn da so allein e herum? Also, ihr Lieben, das hier ist Franzi, die neue Frau an Nils’ Seite.« Ich werde freundlich begrüßt, aber auch kritisch gemustert.
»Er hat viel durchgemacht.« Die langbeinige Brünette im Nadelstreifenkostüm hält meine Hand ein wenig fester, als das meiner Meinung nach notwendig gewesen wäre. »Andrea hat ihm das Herz gebrochen. Wir möchten das nicht noch einmal erleben.« Ich nicke unbehaglich und versuche erfolglos, mich aus ihrem eisernen Griff zu befreien.
»Nun hör aber auf, Silvia. Du machst ihr ja Angst«, geht Linda dazwischen. »Das sieht doch ein Blinder, dass die beiden glücklich miteinander sind.«
»Das sind wir.« Unauffällig reibe ich meine schmerzende Hand.
»Das freut uns. Und jetzt genug davon. Wir haben uns gerade über Bücher unterhalten, als du dazugekommen bist. Was liegt denn gerade auf deinem Nachttisch?« Das »Kamasutra«, wäre die Antwort auf diese Frage, aber das traue ich mich nicht zu sagen. Außerdem habe ich noch gar nicht reingeschaut, Lydia hat es mir letztens geliehen.
»Ich lese gerade ›Für jede Lösung ein Problem‹«, sage ich stattdessen.
»Aha.«
»Das kenne ich gar nicht.«
»Was ist denn das?«
»Von Kerstin Gier«, gebe ich bereitwillig Auskunft.
»Ach, die. Schreibt die nicht Frauenromane?« Irgendwie ist mir diese Silvia nicht besonders sympathisch.
»Wenn du es so nennen willst.«
»Das sind diese rosa Bücher mit den Herzen oder Blumen auf dem Cover«, erklärt sie den Umstehenden.
»Also, das ist jetzt aber ein bisschen sehr vereinfacht dargestellt. Das Buch hat durchaus Tiefgang.«
»Ach ja?«
»Ja. Es geht um eine Frau, die sich umbringen will und an ihre gesamte Umgebung Abschiedsbriefe schreibt. Und dann geht es schief, und alle wissen, was sie in Wahrheit denkt.«
»Hm. Das klingt tatsächlich nach einem recht originellen Plot«, näselt Silvia, und ich bin froh, dass sie in diesem Moment nicht so genau weiß, was ich wirklich über sie denke. Was für eine doofe Ziege. »Ich habe jedenfalls gerade ›Moby Dick‹ ausgelesen und mache mich jetzt an ›Krieg und Frieden‹.«
»Oh, das habe ich auch gelesen«, freue ich mich, »aber nichts geht über die Verfilmung. Patrick Swayze war einfach umwerfend, fand ich.« Ihre zu einem schmalen Strich gezupften Augenbrauen wandern fast bis unter den Haaransatz.
»Ich glaube, du meinst ›Liebe und Krieg‹. Ich dagegen spreche von Tolstoi.«
»Ups, stimmt. Mein Fehler!« Ich kichere und trinke meine Bowle aus. »Ich glaub, ich hol mir noch ein Glas. Will noch jemand eins?«
»Nein danke. Ich hab die Bowle eben probiert, und sie schmeckt, als würde sie zur Hälfte aus purem Wodka bestehen.«
»Ehrlich?« Erstaunt sehe ich in mein leeres Glas. Ich wusste nicht, dass so viel Wodka so lecker schmecken kann. Das erklärt natürlich, warum sich mein Kopf so leicht anfühlt. Und warum ich die Verwechslung von »Fackeln im Sturm« mit Tolstoi immer noch urkomisch finde. »Dann sollte ich vielleicht auch nicht mehr davon trinken«, beschließe ich und nehme stattdessen noch ein Gläschen Champagner von einem vorbeischwebenden Tablett. Es sieht natürlich nur so aus, als ob es schwebt, in Wahrheit wird es von einer Kellnerin getragen. »Wo waren wir?« Gut gelaunt blicke ich in die Runde.
»Ich habe mir vorgenommen, nichts anderes mehr zu lesen, bevor ich nicht Thomas Manns Gesamtwerk durchhabe.« Linda streichelt sich
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