Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See

Titel: Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
werden. Unsereins verstand ja die Begriffe, unabhängig von der Zusammensetzung der Laute, aber Menschen brauchten diese komplizierte Sprache, um sich untereinander zu verständigen. Geschickt war das eigentlich nicht, denn sowie jemand etwas anders betonte, hieß es schon immer gleich: »Häh? Was hast du gemeint?«
    Aber egal, sie schwatzten miteinander, und je mand wusste zu erzählen, dass der Erste Offizier auch aus der Bretagne stammte, aber sein Glück auf den ame rikanischen Dampfern gemacht hatte.
    »Ron Cado?«, fragte ein anderer. »Ja, der ist Bretone. Aber der hatte einen guten Grund, nach Amerika zu gehen.«
    »Haben wir den nicht alle?«

    »Sicher, aber der hat seine Geliebte umgebracht, heißt es. Deshalb ist er ja in Brest auch nicht an Land gegangen.«
    »Woher weißt du das denn?«
    »War damals in der Gegend. Quiberon, wisst ihr. Vor zwölf Jahren. Eine ziemlich schaurige Geschichte. Er hat sie einfach von den Klippen gestürzt und ist dann weggegangen.«
    »Er ist ein kaltherziger Kerl, das sieht man ihm an. Hat so eine verbitterte Miene.«
    »Er soll die Mat rosen ziem lich schikanieren, hab ich gehört. Und gnade Gott, der erwischt mal einen ohne Passagierschein.«
    Janed, neben deren Röcken ich saß, zuckte merklich zusammen. Dass Ron Cado verschnarchte Matrosen zu glibberigen Qual len und grätenlosen Heringsschwänzen degradieren konnte, hatte ich selbst erlebt. Obwohl, das war neulich auf der Brücke auch notwendig gewesen, denn er musste ja eine Gefahr abwenden. Hätte er sie nicht so angeschnauzt, wären wir bestimmt mit dem Fischkutter zusammengekracht. Aber das mit der Frau, die er von den Klippen gestürzt hatte, hörte sich schrecklich an. So jemand war auch in der Lage, einen blinden Passagier über die Reling zu werfen.
    Ich musste auf Janed aufpassen.
    Deshalb begleitete ich sie am Nachmittag, als sie mit Pippin wieder zum Promenadendeck ging, und hielt mich ganz dicht an ihren Beinen. Der alte Mann hatte ihr ein Buch mitgebracht, über Amerika. Und er erzählte auch wieder von sei ner Zeit im Zirkus. Von Seiltänzern und Trapezkünstlern, die fliegen konnten, von prachtvoll
aufgeputz ten weißen Pfer den, dressierten Pudeln und Seehunden, die Ball spielen konnten, und von zwei gewaltigen Löwen, die durch brennende Reifen sprangen. Ich erschauderte allein bei dem Gedanken. Vor Feuer hatte ich Angst, und die war auch durch größtes Bemühen nicht klein zukriegen. Sie war bei nahe so groß wie meine Angst vor Möwen.
    Aber zum Glück verließ Pippin diese schau rigen Schilderungen und berichtete uns nun von den Städten, in denen sie aufgetreten waren. Von Paris und London, Rom und Mad rid, Berlin und Sankt Petersburg. Janed und ich lauschten fasziniert, und meine Menschenfrau schien ganz vernünftige Fragen zu stellen, denn einmal unterbrach er sich und meinte: »Sie wissen eine Menge über die europäischen Hauptstädte, Janed. Sie müssen einen gründlichen Geografieunterricht gehabt haben.«
    »Ach nein, so gründlich war der nicht. Ich bin zwar sechs Jahre zur Schule gegangen, aber nur in unserem Dorf. Aber mei ne Mutter hat ein mal einem Händler ein dickes Konversationslexikon abgekauft, und daraus haben wir uns jeden Abend vorgelesen. Es standen sehr informative Artikel darin.«
    »Eine nützliche Art, die Abende zu verbringen. Und Sie haben viel behalten.«
    »Ich habe es jeden Tag benutzt, auch als ich nachher ganz alleine war.« Sie lachte leise auf. »Ich habe abends oft Pantoufle daraus vorgelesen. Er ist ein sehr ge bildeter Kater, Pippin.«
    Bin ich das? Ach, das tat mir gut. Ich hat te mich so unwissend gefühlt, seit Lili mir von Opernhäusern und Automobilen berichtet hatte. Dann aber fuhr Janed mit
trauriger Stimme fort: »Aber nun ist das Lexikon mitsamt meinem Haus und allem, was ich besaß, in den Fluten versunken.«
    »Sie werden bald Gelegenheit haben, sich eine neue Enzyklopädie zu kaufen. Eine ganz moderne vielleicht sogar. Lernen Sie rasch die amerikanische Sprache, dort gibt es viele gute Bücher und Zeitschriften.«
    »Ich übe ja schon. Der Wirt in Brest hat mir ein Vokabelbüchlein gegeben.«
    Pippin begann, in ei ner anderen Sprache auf sie einzureden, und stolpernd und stammelnd antwortete Janed. Ich hingegen verlor das Interesse daran – die Sätze waren wirklich sehr schlicht, die sie austauschten – und wurde mit Lilis Anblick belohnt. Wieder wurde sie an der eleganten Leine geführt, aber sie hatte die Schnurrhaare empört nach hinten

Weitere Kostenlose Bücher